Lia Rodrigues’ „Fúria“ bei den Wiener Festwochen
Am eindeutigsten scheint noch das erste Bild. Da geht langsam das Licht über einer Gruppe erwachender Menschen auf. Sie liegen auf einem bunten Lager aus Gewand, Zeug und Müllsäcken - eine Favela wie Maré in Rio de Janeiro, wo die 63-jährige Choreografin Lia Rodrigues seit acht Jahren eine Tanzschule betreibt. Dort hat sie die neun jungen Tänzerinnen und Tänzer ihrer neuen Arbeit "Fúria" zu Profis ausgebildet.
Die morgendliche Zähigkeit hält nicht lange an. Bald schon schwillt, wie im fernen Hintergrund, ein rhythmischer Klang an. Was man zunächst für Marschübungen hält, ist die traditionelle Musik der Kanaken, der melanesischen Ureinwohner Neukaledoniens. Ihr mit Pfiffen und Rufen durchsetztes Klopfen wird lauter und verstummt dann eine Stunde lang nicht. Dem Rhythmus teils folgend, teils entgegenarbeitend füllen die Tanzenden die Festwochen-Spielstätte Odeon mit bemerkenswerter Präsenz.