Karl Kraus und sein Krieg gegen den Krieg: Komplett aufgeführt hat „Die letzten Tage der Menschheit“ noch immer niemand. Dafür bringt Jung & Jung Karl Kraus’ monumentale Satire wieder einmal neu heraus.
Am Ende sagt Gott: „Ich habe es nicht gewollt.“ Gewaltiger geht es kaum. Fünf Akte, ein Vorspiel und einen Epilog, insgesamt 220 Szenen und über 900 Figuren umfasst Karl Kraus’, nun ja, Theaterstück „Die letzten Tage der Menschheit“. 1974 strahlte der ORF eine Lesung des gesamten Textes aus, und der Regisseur Paulus Manker inszenierte 2018 eine begehbare Installation, in der mehrere Szenen gleichzeitig abliefen. Näher an eine komplette Aufführung der „Letzten Tage“ ist aber noch kein Theater, kein Festival gekommen. Erstaunlich eigentlich, ließe sich damit doch leicht eine Sensation erzeugen.
Andererseits wird es in Zeiten sinkender Kulturbudgets wohl noch dauern bis zur Uraufführung. Wahrscheinlich besiedeln die Menschen vorher den Mars, und dort findet sie dann statt. Karl Kraus gefiele das wohl: Für ein „Marstheater“ erdachte er sein Konvolut, das er in den Jahren von 1915 bis 1922 stetig erweiterte, auch in Vorlesungen und seiner Zeitschrift „Die Fackel“. Gemeint war: Es soll nicht auf die Bühne. Dorthin gelangte es in gestutzten Fassungen dann aber doch schon oft, zuerst noch zu Kraus’ Lebzeiten, zuletzt bei den Salzburger Festspielen 2025 in Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater.
Hohle Phrasen bestimmen Politik, Gesellschaft und Zusammenleben, besonders im (hier: Ersten) Weltkrieg. Kraus verarbeitet diesen Umstand in Szenen mit realen und fiktiven Personen. Die wenigsten spielen an der Front, meistens zeigen sie das Volk, das über das Kriegsgeschehen spricht, Vertreter des Militärs, gewiefte Menschen, die für sich das Beste aus der Situation rausholen wollen, und die Presse – vertreten hauptsächlich durch „die Schalek“, eine lästige Kriegsreporterin, die es wirklich gab.
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