Künstliche Intelligenz ist das Thema der Stunde. Auch bei Kai Krösche und seinem Darum-Team, die das Publikum in die Untiefen von KI-Texten und Verschwörungserzählungen entführen. Gibt es wirklich kein Entkommen?
21. Juni 2023. Die erste Lüge glaubt schon mal keine:r. "Sorry, we’re closed", sagt Victoria Halper den 26 Premierengästen. Sie trägt einen schwarzen Arbeitseinteiler und ein Klemmbrett und betont, sie meine es ernst, man warte nach einem Kurzschluss auf den Elektriker, sorry.
Niemand rührt sich. Den ersten Test hätten wir bestanden, schmunzelt Halper und bittet in einen Raum voller Bildschirme und QR-Codes im Magazin der alten Wiener Wirtschaftsuniversität. Escape-Room dürften wir jedenfalls keinen erwarten. Tun wir aber eh nicht, denn das Stück heißt "Linie Q. Ein No-Escape-Room".
Was die KI alles kann
Letzten Herbst war im selben Gebäudekomplex die phänomenale Produktion Heimwehdes Kollektivs Darum zu erleben. Da in der neuen Arbeit Victoria Halper live auftritt, firmiert Kai Krösche als alleiniger Regisseur. Trotz des identen Kernteams handelt es sich nicht um eine Darum-Produktion, Koproduzent ist wie bei "Heimweh" WUK performing arts.
Als freilich die Stadt Wien 2022 eine Förderung zusagte, hatte das Projekt noch einen ganz anderen Fokus. Um Verschwörungserzählungen wie QAnon ging es ursprünglich, inspiriert von Friedrich Dürrenmatts Kurzgeschichte "Der Tunnel", worin ein junger Mann als einziger Passagier eines Zuges bemerkt, dass dieser schon bedenklich lange in einem eigentlich sehr kurzen Tunnel fährt. Mittlerweile lautet das Thema: Was die KI alles kann.
Den englischen Text im ersten der drei Teile, verfasst vom Kanadier James Stanson, prägt noch die Vorlage. Während das Publikum über eine zuvor heruntergeladene App einen QR-Code nach dem anderen scannt und abwechselnd zu Medienschnipseln und unheimlichen Bildern geleitet wird, zeigen kleinere und größere Fernseher Überwachungskameraaufnahmen des Schauspielers Simon Dietersdorfer in einer U-Bahn. Von einer Siri-ösen Frauenstimme als "Dear Passenger" begrüßt, fragt er, warum der Zug nicht halte. Daraufhin entspinnt sich vor einer sich zunehmend verdichtenden Soundkulisse ein dystopisch-frustrierendes Gespräch, der Zug wird immer schneller und scheint nun zu allem Überfluss abwärts zu fahren.