Die Projekte „RAW“ und „Pickle Bar“ verbinden Kunst mit Kulinarik. Prost Mahlzeit!
Kochen ist Kunst, keine Frage. Bevor Martin Kušej als Burgtheater-Direktor begann, wurde er beim Forum Alpbach gebeten, fünf Künstlerinnen und Künstler zum Dialog zu laden. Die erste Person auf seiner Liste war eine Köchin. In modernen Sternerestaurants geht es längst nicht mehr nur darum, dass es schmeckt. Die Essenden führen oft Gespräche, wie man sie sonst im Theater oder Museum hört: „Ich verstehe die Kresse nicht.“ „Was wollte uns der Koch damit sagen?“
Bei den Wiener Festwochen sind dieses Jahr gleich zwei kulinarische Reihen zu erleben, bei denen zu leiblichen Genüssen unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten aus verschiedenen Disziplinen auftreten. „Raw“ wird vom Wiener Performance-Duo notfoundyet kuratiert und findet viermal im Wintergarten des Café-Restaurants Resselpark statt, in einer eigens für die Festivalzeit eingerichteten Festwochen-Bar. Das anonyme Kunstkollektiv Slavs and Tatars holt seine „Pickle Bar“ aus Berlin-Moabit nach Wien. An zehn Terminen, jeweils dienstags und donnerstags, wird es im Spitzer im zweiten Bezirk die slawische Version eines italienischen Aperitivo geben: fermentierte Drinks und dazu Snacks und Sprachkunst. Wie beim Aperitivo gilt: Manchmal gerät man in eine angeregte Diskussion, von der man nicht einfach aufstehen kann. Aber wer trinkfest ist und lange genug bleibt, wird das Abendessen nach dem Aperitif nicht mehr brauchen.
Thomas Kasebacher von notfoundyet wäre eigentlich gerne Koch geworden, aber seine Eltern zogen es vor, ihn Literaturwissenschaft studieren zu lassen. Seine Performances als notfoundyet gemeinsam mit Laia Fabre sprechen häufig verschiedene Sinne an, auch sanftes Aktivieren des Publikums zum Mitmachen gehört dazu. Letztes Jahr kochten notfoundyet mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Artist Lab „Caldo“ stundenlang Suppe ein und unterhielten sich über das Konzept Zeit. Heuer bringen sie an vier Sonntagen je eine bei den Festwochen agierende Person mit einer Köchin oder einem Koch aus Österreich zusammen. In Zoom-Calls nach Südafrika, Frankreich, Deutschland und Portugal besprechen die jeweiligen Duos im Vorfeld ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Am Ende stehen vier künstlerisch infiltrierte Menüs und kulinarisch geprägte Performances.
Weiter im Falter-Special Wiener Festwochen 2022