Vorsicht: Die Lektüre dieses Romans kann zu Seekrankheit führen! Andreas Nohl hat ihn dennoch zum wiederholten Male ins Deutsche übersetzt
„Seltsame Seeabenteuer Arthur Gordon Pym’s“ hieß 1883 die erste deutsche Übersetzung von Edgar Allan Poes einzigem Roman „The Narrative of Arthur Gordon Pym of Nantucket“ (1838). Der heute so genannte Deppenapostroph war damals noch durchaus üblich. Seither hat sich mehr als eine literarische Größe daran gemacht, den Text einzudeutschen. Bei der genialischen Wienerin Maria Lazar lautet der Titel recht naheliegend „Die Geschichte des Arthur Gordon Pym aus Nantucket“, ihr deutscher Kollege Arno Schmidt (der Wahnsinnige, der „Zettel’s Traum“ schrieb) schwindelte eine – durchaus nachvollziehbare – Wertung aufs Cover seiner Übertragung: „Umständlicher Bericht des Arthur Gordon Pym von Nantucket“.
Die neueste Neuübersetzung übernahm nun der Translationsprofi Andreas Nohl. Für „Arthur Gordon Pyms Abenteuer“ (wieder eine neue Variante) hat Nohl schon mit der schieren Flut an nautischem Vokabular ganze Arbeit geleistet – unter Mithilfe eines Kapitäns und Marinehistorikers. Tau, Mast und Halbdeck, Rahtakelung und Schanzkleid, Klüver und dichtgerefftes Focksegel, seitenlang. Wenn der nun schon mehrmals namentlich genannte Ich-Erzähler nicht gerade enorme Wellengänge und apokalyptische Unwetter so plastisch darlegt, dass man beim Lesen seekrank und gleichzeitig klaustrophobisch wird, eignet sich der erste Teil als Segelhandbuch, der zweite als Reiseführer für Fortgeschrittene.
All die Präzision – und das macht das Buch so speziell – ist jedoch eingebettet in einen denkbar wirren Rahmen. In einem Vorwort erklärt Pym, er könne nicht gut schreiben, habe es aber dennoch teilweise getan und den Rest der Schilderung dem ehrwürdigen E. A. Poe überlassen. Die Nachbemerkung stammt von einem unbekannten Dritten, der Pyms plötzlichen Unfalltod vor Abschluss des Berichts ebenso wie Poes Weigerung bedauert, diesen für ihn zu vollenden. Beides ist tatsächlich bitter, denn Pyms letzte Sätze sind der vielleicht bizarrste Cliffhanger der Literaturgeschichte: „Doch da stellte sich eine verhüllte menschliche Gestalt in den Weg, doch sehr viel größer als irgendein Bewohner der Menschenwelt. Und die Haut der Gestalt leuchtete im vollkommenen Weiß des Schnees.“
Der Text geht weiter in der Buchkultur 205.