Intendant Christophe Slagmuylder verlässt die Wiener Festwochen Richtung Brüssel. Viele sind froh über den Abgang eines Ungeliebten. Aber wer soll nachkommen, und kann man ein solches Festival in Krisenzeiten überhaupt richtig führen?
Christophe Slagmuylder geht nach Hause. Fünf Ausgaben der Wiener Festwochen wird der 55-jährige Kurator und Kulturmanager verantwortet haben, wenn er Mitte 2023 in seiner Heimatstadt Brüssel die Leitung des Mehrsparten-Kunstzentrums Palais des Beaux-Arts übernimmt.
In den Feuilletons wurde die Nachricht mit freudiger Gehässigkeit aufgenommen. Einerseits wird der Abgang begrüßt, andererseits scheint es manchem Kommentator lieber gewesen zu sein, Slagmuylder wäre nicht an einen prestigeträchtigen Posten weggelobt, sondern mit einem nassen Fetzen davongejagt worden.
Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) gratulierte dem Intendanten zum neuen Job-Angebot. Sie steht jetzt vor einem akuten Problem. Die Intendanz ist zwar schon seit einigen Wochen neu ausgeschrieben, allerdings erst für die Ausgaben 2025 bis 2029.
Außerdem lässt Kaup-Hasler durchblicken (siehe Gespräch auf Seite 27), dass sie geneigt war, Slagmuylder zu verlängern, wenn auch unter Mitgabe einiger Verbesserungsvorschläge.
Denn seine bisherige Bilanz ist durchwachsen. Ihm wird vorgeworfen, ein Nischenprogramm zu fahren, das zu kleinformatig, sperrig und zu wenig beeindruckend ist. Inhaltliche Überschneidungen mit dem nur einen Monat später startenden Impulstanz-Festival würden den Festwochen das Alleinstellungsmerkmal nehmen. Zu viele Experimente auf Kosten der traditionellen Sparten Musik- und Sprechtheater würden schiefgehen, und – das wichtigste Kritikerargument – das Publikum bleibe aus.
Kaup-Hasler findet diese Urteile ungerecht. Die ehemalige Kulturmanagerin kennt das Festivalmachen, sie hat zwölf Jahre lang den Steirischen Herbst in Graz programmiert.
Slagmuylder war damals ihr Kollege, er leitete das Kunstenfestivaldesarts in Brüssel. Zahlreiche Koproduktionen und Synergieeffekte verbanden die beiden Institutionen. Jetzt, als Politikerin, ist Kaup-Hasler grundsätzlich sehr zufrieden mit Slagmuylders Festwochen-Intendanz, sagt aber: „Ohne Corona würde ich seine Arbeit sicher anders beurteilen.“
Jedes einzelne seiner bisherigen Festwochenjahre war durch besondere Einschränkungen geprägt. Gezeigt wurde, was ging. 2019 hatte Slagmuylder, interimistisch berufen, nur vier Monate Zeit, ein Programm aus Bewährtem zusammenzustellen, seither bestimmt die Pandemie, was möglich ist.
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