Am leichtesten öffnen wir uns Fremden. Irgendwo in eine Bar gehen und jemandem, den man nie wiedersehen wird, sein Leid klagen: Was wegen der Pandemie undenkbar wurde, ermöglicht die australische Regisseurin Samara Hersch nun in ihrer Performance „Body of Knowledge – At Home“, die im Rahmen des Imagetanz-Festivals seine Österreichpremiere feierte. Während wir kaum in der eigenen Stadt zusammenkommen dürfen, verbindet sie uns mit Menschen buchstäblich am anderen Ende des Erdballs.
In der vorpandemischen Version wurde das Publikum im Theater von Jugendlichen angerufen und baute im Zuge der Gespräche gemeinsam ein Bühnenbild auf. Der Sprung zur Wohnzimmervariante liegt nahe. Wer eine Karte erworben hat, erhält einen Zoom-Link und die Frage nach einem Lieblingssong aus der eigenen Teenagerzeit. Zu Beginn gibt es eine kurze Vorstellrunde, dann bleibt die Computerkamera an, der Ton aber geht aus. Kaum hat man gesehen, wie die erste Mitzuschauerin ans Handy geht, erhält man selbst den ersten Anruf über Whatsapp.
C., 16, lebt in einer offenen Beziehung und trifft sich oft mit anderen Mädchen, kann aber oft nicht lesen, ob die was von ihm wollen oder nicht. Wie das denn beim Gegenüber so sei? Z., 19, ist gerade frisch auf der Uni und denkt oft an London, wo Teile ihrer Familie wohnen. Man gerät ins Plaudern. Je nach Persönlichkeit darf man sich bemüßigt fühlen, elterliche Ratschläge zu erteilen, oder umgekehrt preiszugeben, was einen selber so plagt. Egal, ob es um Sex, Liebe, Geschlechteridentität oder – überraschend selten – das Klima geht: Das Reden tut gut, und die schiere Tatsache, dass die jungen Gesprächspartnerinnen und -partner zehn Stunden zeitversetzt im spätsommerlichen Melbourne sitzen, hat etwas Überwältigendes.
Am Ende versammelt man sich wieder vor Zoom und lauscht den Kids, wie sie sich über die geführten Telefonate austauschen. „Die Erwachsenen wissen auch nicht mehr als wir“, lautet das erfrischende Fazit. „Die sind wie wir, nur in alt.“ Diese weltumspannende Erkenntnis ist so berührend wie die Playlist, die zum Abschied per Whatsapp eintrudelt: lauter Lieder aus der Jugend.