An Schauwerten reich und eher deftig als heftig: Florentina Holzingers „A Divine Comedy“ im Tanzquartier
Das Tanzquartier Wien bespielt normalerweise seine Studios und die Halle G im Museumsquartier. Wenn es alle paar Jahre die um ein Vielfacheres größere Halle E reserviert, dann heißt das, es hat einen richtigen Hit im Programm – etwas, das über die überschaubare Szene der Tanzfans hinausgeht. Diesmal würde der Anlass sowohl kleinere Zuschauerräume als auch kleinere Bühnen sprengen: Die Wiener Performerin und Choreografin Florentina Holzinger, deren Stunt-Ballett-Grenzüberschreitung „Tanz“ von der Zeitschrift Theater heute zur Inszenierung des Jahres 2019/20 gekürt wurde, präsentiert ihr neues Opus magnum.
Mit einer schier unzählbaren Menge weitgehend nackter Künstlerinnen (davon auf der Bühne laut Programmzettel: 22) hat Holzinger im Auftrag der Ruhrtriennale zum 700. Geburtstag des Dichters Dante Alighieri ihre Interpretation einer göttlichen Komödie entwickelt. Wichtig: Nicht „Die göttliche Komödie“ ist zu sehen, sondern „A Divine Comedy“. Das mittelalterliche Originalwerk aus 14233 Versen, in dem Dichter Dante auf der Suche nach seiner Geliebten Beatrice neun Höllenkreise durchwandert und geläutert zurückkehrt, spielt an dem Abend zwar durchaus eine große Rolle. Dennoch wird, wer das auf der Faszination für Show, Stunts und Körperkult beruhende Werk Florentina Holzingers kennt, wohl kaum eine intellektuelle Auseinandersetzung mit einem Literaturklassiker erwartet haben.
Auf Dantes Reise durch die Kreise wird teils assoziativ, teils explizit Bezug genommen. Das geht bis hin zur regelrechten Persiflage, wenn Annina Machaz als Dante die Hölle im Dünnschiss ortet und von den eigenen Fürzen angetrieben fahrenden Dixie-Klos hinterherjagt. Schon aufgrund ihres Namens stellt der große Star von „Tanz“, die mittlerweile 80-jährige Beatrice Cordua, eine weitere Brücke zum zitierten Original her und sorgt für die berührenden Momente der Aufführung. Nicht mehr gut auf den Beinen, fährt „Beatrice“ meist in einem Trolley über die Bühne und denkt an den eigenen Tod.
Weiter im Falter 42/21