Das Kollektiv KollekTief seziert beim Hin & Weg in Litschau in öffentlicher Isolation die Phasen des Lockdowns
Die meisten schauen sie komisch an. In Litschau im nördlichen Waldvirtel sind „diese Idioten“ längst Stadtgespräch. Sogar Zeno Stanek, Leiter des dortigen Theaterfestivals Hin & Weg, hörte die Idee und fragte als Erstes: „Wollt ihr das wirklich machen?“
Im Rahmen des Hin & Weg werden sich fünf Mitglieder der Theatergruppe KollekTief, darunter ein Vorstadtweib und ein Burgschauspieler, zwei Wochen lang in Einzelcontainern isolieren und eine Performance erarbeiten. „Bitte nicht berühren“ heißt die Aktion. Monatelang verbot ihnen die Regierung das Arbeiten, hinderte die Pandemie sie an der Zusammenkunft. Jetzt, als erstes Projekt nach dem Lockdown, locken sie sich erst recht down.
Aber warum? Warum um alles in der Welt? „Damit wir spielen dürfen, was wir wollen“, erklärt Alina Schaller, 23, die unter anderem in der ORF-Serie „Vorstadtweiber“ mitspielt. „Gerade steigen die Zahlen wieder. Große Festivals die wie Bregenzer Festspiele sind abgesagt. Who knows? Wir wollen nicht, dass kurz vor der Premiere jemand sagt: Sorry, ihr dürft doch nicht.“
KollekTief entstand 2012 „aus jugendlicher Spielwut“ einer Gruppe von Schülern, wie es Anton Widauer, Mitglied der ersten Stunde, formuliert. „Spielen dürfen, was wir wollen“, ohne von den „Erwachsenen“ dreingeredet zu bekommen, war stets ein Motor der Projekte. Widauer ist heute 25 und steht vor dem Abschluss seiner Schauspielausbildung am Max-Reinhardt-Seminar. Nach der Matura war er nicht der Einzige, der beruflich den Theaterweg einschlug. Dafür studierten einige Kollegen lieber Jus, während sich über die Jahre andere lose Weggefährten dem Kollektiv anschlossen. Man spezialisierte sich auf erfrischend unkonventionelle Kurzstücke in intimem Rahmen, der sich in Titeln wie „One to One“ und „One to Three“ widerspiegelt.
Auf größter Nähe zwischen Performern und Publikum basierte auch das Projekt, das KollekTief ursprünglich fürs diesjährige Hin & Weg geplant hatte. Dass sich das unter Corona-Bedingungen nicht würde umsetzen lassen, war bald klar. Mitte April verkündete die Regierung, man dürfe wieder Theater spielen, aber ohne, dass die Beteiligten einander nahekommen. Um das (mittlerweile aufgehobene) Distanzgebot zu überwinden, entstand zunächst die Idee, als Ensemble gemeinsam in Isolation zu gehen, sozusagen „einen Haushalt“ zu bilden, um danach auf der Bühne interagieren zu dürfen.
Aber wer sollte ihre Quarantäne überprüfen? „Wir beschlossen, einfach das Publikum als Zeugen zu nehmen“, schildert Felix Kammerer, Ensemblemitglied des Burgtheaters, den kollektiven Gedankengang. Das Quintett vervollständigen die Musikerin und Regisseurin Anna Marboe und der Schauspielstudent und Hobbycellist Tilman Tuppy. Voyeurismus à la „Big Brother“ wollten sie aber vermeiden. „Wir sind alle befreundet“, sagt Kammerer. „Das Interesse darauf zu lenken, ob wir einander zerfleischen, wäre langweilig.“
Aus einer Fünfer-WG wurden also fünf Boxen auf einer Wiese im Hoteldorf Königsleitn.
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