Unerschütterlich: Die Salzburger Festspiele feiern ihr 100-jähriges mit einem exquisiten Programm
Es wäre auch wirklich zu ärgerlich gewesen. Man hackelt nicht hundert Jahre, um das dann nicht feiern zu können. Aber die Salzburger Festspiele, 1920 erstmals veranstaltet, gehen auch im Jahre 2020 über die Bühne. Das Direktorium des ehrenwerten Festivals, angeführt von der – parallel dazu noch weiter verlängerten – Präsidentin Helga Rabl-Stadler, wartete mit der Entscheidung über den Umgang mit der allgemeinen Pandemiesituation in Europa lange genug zu. Ende Mai konnte es dann verkünden, dass die Festspiele von 1. bis 30. August 2020 stattfinden werden.
Der Musiktheaterkritiker der Süddeutschen Zeitung, Reinhard J. Brembeck, schnaubte zunächst entsetzt über die neue Entspanntheit der österreichischen Gesundheits- und Kulturpolitik: „Die Maßgaben lesen sich wie eine Bastelanleitung zu einem Ischgl-Inferno II“. Kaum wurden Details zum Programm und seiner Durchführung bekannt, schlug Brembeck sofort andere Töne an und streute dem Intendanten Markus Hinterhäuser Rosen. „Ufff!“, schreib er. „Das ist ein beeindruckendes Programm für so ein berühmtes Festival, das schon aus finanziellen Gründen keine Experimente wagen will. Ein Programm, das in keinem Moment nach Corona schmeckt.“ Da hatte jemand wohl doch Angst, von der Premierenliste gestrichen zu werden.
Obwohl das modifizierte Programm nicht die Fülle dessen hat, was ursprünglich im Dezember verkündet wurde, kann es sich in der Tat sehen lassen. Sogar eine ursprünglich gar nicht vorgesehene Neuproduktion wurde überraschend präsentiert, die auch noch geeignet ist, den Corona-Frühling mit Heiterkeit vergessen zu machen: Der renommierte Opernregisseur Christof Loy bringt Mozarts komische Oper „Così fan tutte“ auf die Bühne des Großen Festspielhauses. Die Wiener Philharmoniker werden von Joana Mallwitz angeleitet, der derzeit präzisesten Meisterin des Dirigierstabs.
Andere Programmpunkte waren bereits bekannt: Etwa interpretiert im Haus für Mozart der während der Corona-Zeit zum Liebling darbender Kunstschaffender avancierte deutsche Pianist Igor Levit Werke von Ludwig van Beethoven. Das ist schon deshalb aufg’legt, weil der Komponist, der sich einst legendär in die Schwerhörigkeit klimperte, dieses Jahr 250 geworden wäre und den Jubelausfall ebenso wenig verdient hat wie die Festspiele selbst.
Musikalisch hochwertig bleibt es auch, da Asmik Grigorian kommt. Die litauische Sopranistin ließ 2018 sämtliche Kinnladen zu Boden krachen, als sie in Romeo Castelluccis Interpretation der Richard-Strauss-Oper „Salome“ nicht nur eine Wahnsinnsstimme, sondern auch darstellerische Qualitäten zeigte. Heuer singt sie die Titelrolle in Strauss’ „Elektra“. Auch diesmal könnte es passieren, dass der Regisseur sie schauspielerisch fordert. Es ist der Pole Krzysztof Warlikowski, der mit bildstarken Sprechtheaterinszenierungen schon bei den Wiener Festwochen zu Gast war.
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