Die Theaterszene in Kinshasa blüht in Hinterhöfen und ohne staatliche Förderung – Eine Reportage aus Kongo
20. April 2019. Wer bei der Probe nicht dran ist, schläft. Das ist ganz normal in einer Stadt, in der das Thermometer selten weniger als 30 Grad anzeigt. Ohne Klimaanlage sind nachts nur zwei, drei Stunden Schlaf drin, der wird tagsüber nachgeholt, wann immer es geht. Stromausfälle sind an der Tagesordnung. Die Szene ist gewohnt, neben laut brummenden Generatoren zu performen. Wenn es regnet – infolge des Klimawandels geschieht das seltener, dafür umso heftiger –, müssen Proben und Aufführungen unterbrochen werden. Unübertönbar hämmert der Regen dann auf die Wellblechdächer der Handvoll an überdachten Spielstätten ein. An den Seiten strömt das Wasser in den Raum, die Füße werden nass, die Technik wird hastig, aber routiniert abgeschirmt. Nach einer halben Stunde oder auch nach drei Stunden geht es weiter.
Willkommen in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Anlass für den Besuch ist die Theaterproduktion "Fluss im Bauch". Mit Geldern des bundesdeutschen "Turn"-Fonds hat das hiesige Goethe-Institut die Inszenierung nach einem Text des kongolesischen Autors Fiston Mwanza Mujila verwirklicht. Ensemble und Team sind ein kongolesisch-mitteleuropäischer Mix, der Abend wird im Sommer auch im Schauspielhaus Wien und am Nationaltheater Mannheim zu sehen sein. Eine Eigenproduktion dieser Größe, die acht Wochen lang vor Ort geprobt wird, ist für dieses kleine Verbindungsbüro des Goethe-Instituts höchst ungewöhnlich, die Unterstützung von Kulturprojekten auf Initiative der unzähligen lokalen Initiativen und Künstler*innen hingegen ist seine Kernaufgabe und wichtig für den Kulturbetrieb in "Kin", wie die Stadt hier genannt wird.
An schaffensfreudigen "Kinois" mangelt es nicht. "Kinshasa hat 24 Bezirke, und in jedem davon gibt es neben zehn selbstgegründeten Kirchen mindestens zehn prägende Künstler", sagt Dada Kahindo, Schauspielerin bei "Fluss im Bauch" und Leiterin der Plateforme Contemporaine, die Kunstschaffende in Kinshasa mit Technik, Infrastruktur und Administrativem unterstützt. "Die Szene hier ist wahnsinnig lebendig, hat große Strahlkraft und eine beeindruckende Dynamik. Wenn es nur die Mittel gäbe, hätten wir hier in Kongo die besten Vorstellungen der Welt."
Im Schatten der Ausbeutungslogik
Die Premiere von "Fluss im Bauch" fand Ende März in der Halle de la Gombe statt, auf einem Areal im Regierungs- und Geschäftsviertel, die sich das Goethe-Institut mit dem viel größeren Institut Français teilt. Die "Halle", das sind drei Mauern mit einem Wellblechdach darüber. Dass die vierte Wand fehlt, ist kein postdramatisches Signal, sondern notwendig, damit die sich körperlich verausgabenden Spieler*innen bei der Hitze nicht kollabieren.