Martin Gruber und sein fast 30 Jahre altes Aktionstheater Ensemble zeigen ein Best-of
Alle jammern über Publikumsschwund, nur das Aktionstheater Ensemble muss sich keine Sorgen machen. Von Vorarlberg und Wien aus wirkend umarmt die Gruppe quasi ganz Österreich und erfreut sich Auslastungszahlen um die hundert Prozent. Jedes Jahr bringt das Aktionstheater im Schnitt zwei Neuproduktionen heraus. Martin Gruber hat die freie Kompagnie 1989 gegründet und dort zunächst Klassiker inszeniert. Erst im letzten Jahrzehnt praktiziert er ein seither viel kopiertes Format: Auf der Bühne wird keine Handlung wiedergegeben, sondern die Spieler schildern – scheinbar – authentisch Persönliches aus ihrem Leben, durchsetzt mit Musikeinlagen und bis in die Gefühlsausbrüche exakt choreografiert. Vor jedem Auftritt wird neu geprobt, sodass das Ensemble in eine Stimmung kommt, als erzähle es alles zum ersten Mal.
Ein Best-of des aktuellen Repertoires gibt es ab Donnerstag unter dem Titel „Vier Stücke gegen die Einsamkeit“ im Werk X zu sehen. Je zwei der kurzen Stücke „Immersion. Wir verschwinden“, „Ich glaube“, „Swing. Dance to the Right“ und „Die wunderbare Zerstörung des Mannes“ werden an einem Abend hintereinander gezeigt – zum Preis von einem.
Falter: Herr Gruber, wieso zieht sich gerade die Einsamkeit durch Ihre vier neuesten Stücke?
Martin Gruber: Ich gehe davon aus, dass Entsolidarisierung zu Vereinsamung führt, also dieser Schmäh, dass wir miteinander zwar gut können, aber nach außen hin leider zumachen müssen. Diese Grundhaltung bildet eine Klammer zu all diesen vier Stücken, auch wenn sie nicht als Tetralogie geplant waren. In „Immersion“ geht es beispielsweise um Selbstoptimierung; in „Ich glaube“ darum, man könne jemand eine reinhauen, weil man glaubt, den Herrgott, freilich männlich, oder eine bessere Ideologie hinter sich zu wissen. In „Die wunderbare Zerstörung des Mannes“ steckt die Frage, welche Not verbirgt sich hinter dem Klischee „Mann“ und was soll das heißen, im vermeintlichen Postpatriachat.
Hat sich an den einzelnen Stücken etwas verändert, seit sie eine Tetralogie sind?
Kristian Musser erarbeitet alle Musiken neu; alles wird neu komponiert oder in einen neuen Kontext gesetzt. Wir stellen auch die inhaltlichen Verbindungen stärker aus, sodass, wer will, Bögen herstellen kann. Und wenn sich politisch bis dahin etwas tut, wird man es merken. Ich baue die Stücke aber nicht völlig um.
Wieso haben Sie sich gegen die Arbeit mit bestehenden Theatertexten entschieden?
Gruber: Ich erlebe das Theater oft als Käseglocke, die weder die Künstler noch das Publikum je verlassen. Daher hat mich die Authentizität, der Bezug zur Außenwelt interessiert. Jeder Mensch hat einen eigenen Duktus. Diese Diversität hat für mich auch eine große literarische Qualität. Es gibt ja diese Floskel frei nach Shakespeare: „Wir spielen alle irgendwelche Rollen.“ Ich sage: Dann tun wir das doch wenigstens am Theater nicht!
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