„Der Kandidat“ im Akademietheater
Das muss man ja heute fast spielen: Reicher, aber ideologiefreier Industrieller will ins Parlament, lässt sich von allen Parteien umwerben – ein Stück zur Stunde. „Der Kandidat“, ein bürgerliches Lustspiel von Carl Sternheim nach einer Vorlage Gustave Flauberts, wurde 1915 in Wien uraufgeführt. In der Regie von Georg Schmiedleitner hatte im Akademietheater nun eine abermals erneuerte Version Premiere, mit Gregor Bloéb in der Hauptrolle des Russek.
Burg-Dramaturg Florian Hirsch hat den Text um Schlagworte aus dem modernen Politzirkus, von „Genderwahnsinn“ bis „Betreuungsplätze“, ergänzt. Altbackenes, wie dass die Russek zum Sieg verhelfenden Männer wahlweise seine hübsche Tochter (Christina Cervenka) oder lüsterne Ehefrau (Petra Morzé) beschlafen wollen, hat er dabei leider nicht eliminiert. Wie um von der wirren Stückhandlung abzulenken, schafft die Regie eine Atmosphäre hektischer Körperkomik. Die Bühne (Volker Hintermeier) ist ein rotierender Ring, zwei Musiker untermalen zeitweise jeden Schritt darauf mit Boing-Boing, es wird gestolpert. Am gekonntesten schwingen Sebastian Wendelin als korrupter Journalist und Sabine Haupt als Winkeladvokatin das Bein.
Mehr im Falter 45/18