Mit Frauenthemen hatte Veronika Steinböck bisher wenig am Hut. Nun leitet sie das feministische Kosmos Theater
Nicht einmal der schlimmste Hater kann Veronika Steinböck, 54, als Kampfemanze bezeichnen. Nachdem sie vor einem Jahr den Zuschlag als künstlerische Leiterin am Kosmos Theater am Wiener Siebensternplatz bekam – dem „Theater mit dem Gender“, wie es sich damals noch nannte –, musste sie sich erst einmal gründlich in den Feminismus einlesen. Ihre Tochter, die Regisseurin und Philosophiestudentin Milena Michalek, versorgte sie mit Literatur von Donna Haraway bis Hélène Cisoux. Schließlich geht mit der Position auch die Mitgliedschaft im Frauenring einher. „Da wollte ich in keine Fettnäpfchen treten“, sagt die 54-jährige Wienerin. „Ich war, glaube ich, immer Feministin, aber künstlerisch waren mein Thema eher die Geflüchteten.“ Zuvor leitete Steinböck in Sachsen ein freies Theaterkollektiv und ein Sommerfestival. Das 2000 als „kosmos.frauenraum“ eröffnete Kosmos Theater kannte sie nur aus Erzählungen.
Die neue Leiterin wirkt offen, heiter und uneitel. Während ihre beim Gespräch anwesende Tochter von den Proben zur Eröffnungspremiere geschlaucht ist, gibt sich Steinböck energiegeladen und voller Vorfreude. „Manchmal sitze ich hier und nähe Pölster oder versuche, die Wand auszubessern. Ich gehe voll in dieser Aufgabe auf.“
Auch ihr persönlicher Werdegang klingt nicht klassisch feministisch: Nach Abschluss des Reinhardt-Seminars verliebte sich die freie Schauspielerin im Zuge einer Produktion in ihren Bühnenpartner Wolfgang Michalek. Zwei Kinder kamen kurz nacheinander, die Familie folgte der Karriere des Vaters nach Deutschland, und Steinböck war zunächst zufrieden damit, aus dem Kunstprekariat in die Häuslichkeit überzutreten. In den Ensembles ihres Mannes, den Staatstheatern Hannover und Dresden, war Steinböck immer wieder als Gastschauspielerin geduldet – solange sie sich mit Mütter- und ähnlichen Nebenrollen begnügte.
Als ihr der Intendant 2009 wieder einmal ein biederes Märchenstück vorschlug, reichte es ihr. Sie lernte Projektmanagement und gründete das Kollektiv Theater La Lune. Die Gruppe – die stets ausschließlich aus Frauen bestand – baut Stücke aus Recherchematerial zu Themen wie Migration. Sie ist in Dresden immer noch aktiv. „Nach Veronikas Weggang habe ich ein Jahr gebraucht, mich zu sortieren“, erinnert sich die Ko-Leiterin Julia Amme. „Sie ist so eine kraftgebende Instanz, hat eine scharfsinnige Leidenschaft für gesellschaftspolitisch Relevantes.“ Ein Wiedersehen gibt es am Wochenende bei der Kosmos-Eröffnungsshow, in die auch Theater La Lune eingebunden ist.
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