Alles Theater, alles wahr: Die Schauspielerin Michaela Bilgeri lässt schon einmal die Hosen runter
„Vielleicht müsste man aus dem Macht so eine doofe, lustige Figur machen“, überlegt Michaela Bilgeri laut. „Wenn alles immer scheiße ist und dabei so supercool, dann langweilt mich das irgendwann.“ Zweieinhalb Wochen vor der Premiere von „Macht und Rebel“ im Wiener Werk X befindet sich die Produktion noch in der Findungsphase. Gerade ist eine Probe abgeschlossen, die anderen vier Schauspielerinnen sind gegangen, Michaela Bilgeri bleibt zum Falter-Gespräch.
Es ist das erste Mal seit längerem, dass Bilgeri nicht mit Martin Gruber vom Aktionstheater Ensemble zusammenarbeitet. Dass Ali M. Abdullah, Ko-Leiter des Werk X und Regisseur von „Macht und Rebel“, nicht die gleichen Dinge lustig findet wie sie, daran musste sie sich erst gewöhnen. Abdullah hat 2008 bzw. 2011 bereits die anderen beiden Teile der Romantrilogie „Skandinavische Misanthropie“ auf die Bühne gebracht. Die Bücher des Norwegers Matias Faldbakken entlarven eine verwöhnte, verkommene Machowelt, in der rücksichtslose Kerle Porno und Pädophilie für die ultimative Waffe gegen den Kapitalismus halten.
Anders als bei „The Cocka Hola Company“ und „Unfun“ wollte Abdullah bei „Macht und Rebel“ alle Rollen mit Frauen besetzen. Michaela Bilgeri kannte er „als eine, die Texte nicht nur sagt, sondern denkt und die mit Witz und Fantasie emanzipiert-freche Figuren herstellt“. Er gab ihr die Rolle des aalglatten Managers Macht, der den Alleshasser Rebel für seine Kampagnen entdeckt. „Manchmal fällt uns gar nicht auf, dass wir Männersätze sagen“, staunt Bilgeri. „Bis dann halt vorkommt: ,Und mein Schwanz ist wund‘. Aber keine Sorge, ich werde mich nicht an den Eiern kratzen und mit tiefer Stimme sprechen.“
Mehr im Falter 7/17
Frauenpower mit Gummipenis: „Macht und Rebel“ im Werk X
Den norwegischen Künstler Matias Faldbakken kotzte das Bildungsbürgertum in den 2000er-Jahren so richtig an, also kanalisierte er seinen Ekel in einer Romantrilogie. In einer Wohlfühlgesellschaft vor Wirtschafts- und Flüchtlingskrise traf die „Skandinavische Misanthropie“ einen gewissen Nerv.
Heute könnte man sie als überholt ansehen: Feelgood ade, Gesellschaft gespalten, einfach nur anti genügt nicht. Umso mehr überrascht die Adaption des Mittelteils der Trilogie im Werk X durch unverkrampfte Aktualität. In Zeiten uninspirierter Hasspostings sind die in „Macht und Rebel“ gezeigten „hater“ wenigstens originelle Vertreter einer Gegenkultur. Die Idee der beiden Titelfiguren: Pädophilie als Strategie gegen die Globalisierung! Das ist natürlich idiotisch, innerhalb des Stücks aber ergibt es erschreckend viel Sinn. So viel, dass die Protagonisten am Ende ein paar üble Judenwitze nachschieben müssen, um uns zu erinnern, dass sie auch nur Zyniker sind.
Mehr im Falter 9/17