Theatermacher Manfred Michalke über sein multikulturelles Ensemble, seine Methode und Geld
Das 1994 gegründete Wiener Vorstadttheater versteht sich als Integrationsprojekt für sogenannte Randgruppen. Sein Leiter Manfred Michalke stellt jährlich eine Theaterproduktion mit Menschen auf die Beine, die dem Kulturbetrieb sonst eher fern sind, derzeit vor allem mit Geflüchteten. Profis wie der Musiker Harri Stojka oder die Werkstätten Art for Art unterstützen ihn dabei. Während Michalke sonst aufgrund fehlender Subventionen viel zu klagen hat, gelang ihm dieses Jahr ein Triumph: Zur Premiere der neuesten Produktion „Und sie legen den Blumen Handschellen an“ reiste der franko-spanische Autor Fernando Arrabal, eine der wichtigsten Stimmen des absurden Theaters im vergangenen Jahrhundert, auf eigene Kosten an.
Falter: Herr Michalke, wie lief die Premiere in Anwesenheit des Autors?
Manfred Michalke: Man muss sich vorstellen, der Mann ist 85 und hatte kürzlich einen Schlaganfall! Wir haben ihm mitgeteilt, wann die Premiere stattfindet, aber wir konnten ihm die Reise nicht bezahlen. Er kam eigens für die Premiere aus Paris, hatte seine Ärztin dabei und redete noch bis weit nach Mitternacht mit den Darstellerinnen und Darstellern. Für sie war das natürlich ein Höhepunkt! Diese Menschen proben zehn Monate lang viermal pro Woche je drei Stunden.
Das ist eine ziemlich lange und dichte Probenzeit. Andere Produktionen proben höchstens acht Wochen.
Michalke: Wir arbeiten quadratmillimetergenau. Wir üben handwerkliche Grundregeln immer und immer wieder. Wenn ein Blick auf die Wangenknochen des Gegenübers abgleitet, anstatt direkt in seine Pupillen gerichtet zu sein, wird die Probe sofort abgebrochen. Nur das gewährleistet eine professionelle Darstellung. Es ist auch eine Art Schauspielunterricht.
Kann man mit dieser Methode alle zu professionellen Schauspielern machen?
Michalke: Viele sind sehr talentiert, andere tun sich schwer. Mein Ensemble besteht aus mindestens 50 Leuten, die sich abwechseln. Die meisten haben schon bei mehreren Produktionen mitgespielt und vererben die Spielfreude teils sogar an ihre Kinder weiter, egal, ob sie aus Äthiopien oder dem Irak kommen. Sie machen gerne mit, weil der Hintergrund der Stücke den Mitspielenden stets vertraut ist: Es ist immer ein soziales oder politisches Anliegen.
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