Shakespeares „Coriolan“ ist für Elisabeth Orth ein Familienunternehmen mit Sohn und Schwiegertochter. Ein Gespräch über Familie, Politik und die Kunst der Soufflage
Nach langer Zeit spielt die Doyenne des Burgtheaters wieder einen Klassiker. Im Akademietheater gibt Elisabeth Orth die Volumnia, ehrgeizige Mutter des altrömischen Politikers Coriolan. Den spielt ihr wirklicher Sohn, Cornelius Obonya. Dessen Frau Carolin Pienkos führt Regie.
Falter: Frau Orth, Sie stehen zwar nicht erstmals mit Ihrem Sohn Cornelius Obonya zusammen auf der Bühne, aber es ist das erste Mal, dass Sie tatsächlich seine Mutter spielen.
Elisabeth Orth: Das ist ein alter Plan von uns. Wir haben uns vor langer Zeit gefragt, was wir in dieser Konstellation spielen könnten. Nicht: langweilige Mami und Kindlein, sondern ein richtiges Problemstück. Jetzt ist die genau die richtige Zeit für „Coriolan“. Bevor ich in die Grube fahre, sowieso – die Volumnia hat ihre besten Jahre hinter sich –, aber auch der Coriolan ist kein Knabe mehr, sondern ein ganzer Mann.
Gestaltet sich die Konstellation so, wie Sie es erwartet haben?
Orth: Aufregend anders. Wir sind auf unterschiedliche Art hinter dem Rollenbild her. Mein Sohn und ich sind beide nicht machtgierig, aber die Lust am Spielen bringt uns zur Macht. Ich merke bei ihm die Lust, über sechs Ecken zu gehen, und bei mir auch. Aber es sind unterschiedliche sechs Ecken. Bei Shakespeare muss man so vieles unter der Oberfläche suchen! Er schreibt nie schwarz-weiß, alles ist immer Schatten, grau, möglich, ambivalent, hart, komisch und dann wieder ganz anders.
Realpolitik und Kriegsfilmkitsch: „Coriolan“ im Akademietheater
Es heißt, „Coriolan“ sei Shakespeares unbeliebtestes Stück, weil es nicht sexy ist und sich nur um Politik dreht. Dem römischen Patrizier Gaius Marcius Coriolanus werden als Kriegsheld zwar alle politischen Ehren angetragen, aber er ist zu stolz, sich auch die Stimmen der Volksvertreter zu erkämpfen oder, besser gesagt: zu erschleimen. Im Zentrum steht also etwas vollkommen Unzeitgemäßes: ein Politiker, der sich dem Populismus verweigert.
Die Regisseurin Carolin Pienkos unternimmt am Akademietheater den Versuch, den Stoff zumindest packend und heutig zu vermitteln. Ihr Ehemann Cornelius Obonya spielt die Hauptrolle. Die Szenen zu Felde, in denen er auf den wilden Stamm der Volsker stößt, hüllt Pienkos in eine amerikanische Army-Ästhetik mit hölzern choreografierten Massenszenen und vielen filmischen Assoziationen. Ein Getreidefeld wie aus dem symbolisch überladenen Ridley-Scott-Schinken „Gladiator“ weht auf einem Full-Screen-Video im Wind, und die Musik wäre gerne für einen Oscar nominiert.
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