Vom Internet in den Urwald: Performerin Anna Mendelssohn zeigt im Tanzquartier ihr Solo „Amazon–River Deep“
Der Name Anna Mendelssohn klingt nach Ruhm. Um es also vorweg zu klären: Die gleichnamige britische Dichterin, auf die Anna Mendelssohn immer beim Selbst-Googeln stößt, trug ein Pseudonym. Es besteht keine Verwandtschaft zum Komponisten Felix und zum Philosophen Moses. Der kürzlich verstorbene Pyschoanalytiker Felix de Mendelssohn war ihr Vater. Damit ist Anna Mendelssohn die Enkelin der österreichischen Schriftstellerin Hilde Spiel.
Vor allem aber ist sie seit zwölf Jahren das Gesicht von Toxic Dreams. In den Stücken der vielfältigsten und wahrscheinlich produktivsten freien Gruppe Wiens fehlt die nunmehr 40-Jährige selten. Nur als ihre beiden Kinder auf die Welt kamen, pausierte sie kurz. Für Yosi Wanunu, den Autor und Regisseur von Toxic Dreams führte Mendelssohn als aparte, augenzwinkernde Conferencière durch hochpolitische und tief nostalgische Abende.
Zuletzt durfte sie die Rolle der Showmasterin ablegen. In der gefeierten Theater-im-Theater-Screwball-Komödie „Thomas B or Not“ spielte Mendelssohn eine Performerin der Off-Szene, die ihr Leben zum Kunstwerk gestalten will. Das Augenzwinkern aber blieb, und wie: Die Produktion ironisierte die freie Szene ebenso wie die institutionalisierte Theaterwelt nach allen Regeln der Kunst.
In ihren eigenen Arbeiten versucht Anna Mendelssohn dafür, ohne den doppelten Boden der Ironie auszukommen. So auch bei „Amazon–River Deep“, ihrem neuesten Solo, das sie unter der Regie von Yosi Wanunu, aber ohne Toxic Dreams im Tanzquartier realisiert. Ihre Mutter Jutta Schwarz, die ebenfalls Schauspielerin ist, wuchs in den 1970ern mit politischem Dokumentartheater und dem „armen Theater“ Jerzy Grotowskis auf. „Damals hat man sich noch getraut, Dinge einfach zu sagen. Heute hat man Angst, moralisierend zu werden“, zitiert Anna Mendelssohn sie.
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