Zappelphilipp
Er ist der neue Wiener Strizzi: Michael Steinocher sagt, was der „Planet Ottakring“ für ihn bedeutet, wofür er sich zu gut ist und warum wir alle ein Sauhaufen sind
Er ist 32, sieht aber aus wie maximal 24. „Bin ja auch grad zwanzig Deka leichter“, lacht Michael Steinocher, der nach einem schweren Motorradunfall seiner Milz beraubt wurde, und begrüßt mich freundlich nach einem erfolgreichen Drehtag für „CopStories“. Die Hand gibt er mir nicht. „Wenn jemand zudrückt, schreie ich immer noch wie ein Kastratensänger.“ Sonst geht es ihm aber schon viel besser. „Eine Woche Spital, eine Woche zu Hause und zurück ans Set“, sagt er mit dem aktuell wohl schelmischsten Strahlen in Fernsehen und Kino.
Nach der Kinderkrimiserie „Die Knickerbocker-Bande“ und Andreas Prochaskas Horrorhit „In 3 Tagen bist du tot“ trägt Steinocher seit 2013 die Hauptrolle in der ORF-True-Crime-Dramaserie „CopStories“ und wird immer mehr zum neuen Bildschirmrepräsentanten der jungen Wiener Seele. Auch für die Leinwand haben ihm Drehbuchautor Mike Majzen und Kinoregiedebütant Michi Riebl eine Hauptrolle auf den Leib erdacht, in der er ab Mitte August die Herzen erobern wird. Als Soft-Drogendealer Sammy Lischka übernimmt er die Geschäfte des verstorbenen „letzten Paten von Ottakring“ und rettet in Robin-Hood-Manier seine Hood vor der bösen Schuldeneintreiberin Jahn (Susi Stach). Vom Kieberer zum modernen Strizzi ‒ und all das in Ottakring, wo natürlich auch unser WIENER-Gespräch stattfindet.
„Planet Ottakring“, „CopStories“: Ihr Berufsleben spielt sich im 16. Bezirk ab. Wohnen Sie auch hier? Ich bin in Floridsdorf aufgewachsen, und in der Zeit, als „In 3 Tagen bist du tot“ gedreht wurde, habe ich in der Nähe des Yppenplatzes gewohnt. Ich muss sagen: Ottakring ist ein Wahnsinn, aber ich habe es nur ein Jahr ausgehalten. Ich bin zwar ein Zappelphilipp, aber ich brauche auch Ruhephasen. Wenn du hier in der Früh das Fenster aufmachst, hörst du einmal die Menschenmassen vom Markt, und kaum ist es dunkel, gehen die Gürtelbögen los. Darum habe ich das eine Jahr fast nur Party gemacht und bin dann zurück in den 21., wo es grün und ruhig ist.
In „PO“ wird Ottakring quasi zu einem Staat mit eigener Volkswirtschaft und roten Schillingen als Währung. Ist diese Utopie wünschenswert? Der Film ist ein modernes Märchen. Die Jahn erinnert mich an die böse Hexenkönigin, und ihre Neffen sind genau wie die zwei Aale aus „Arielle“. Das mit der Komplementärwährung ist ja schon einmal passiert, das sogenannte Wunder von Wörgl. In kleinem Rahmen könnte es unter dem Radar der Regierung funktionieren, aber dazu müssten wie im Film alle zusammenhalten.
Es war die erste Kinoregie von Michi Riebl, der auch „CopStories“ macht. Wie war die Zusammenarbeit? Michi Riebl ist mein absoluter Lieblingsregisseur, weil bei ihm eine gute Stimmung am Set Grundvoraussetzung ist. Er sucht sich seine Leute zusammen, die einander über Jahre kennen und wo es kein böses Blut gibt. Da bleibt man gerne zwei Stunden länger.
Sie wirken in der Rolle des Sammy Lischka sehr natürlich. Gab es etwas, wo Sie sich trotzdem stark verstellen mussten? Ich habe ihn sehr nah an mir angelegt. Schon als ich das Drehbuch gelesen habe, hatte ich sehr fixe Vorstellungen von allen Szenen. Bei guten Büchern brauche ich immer sehr lang, weil ich mir schon alles zusammenträume und aufpassen muss, am Text zu bleiben.
Der Typ Wiener Strizzi hat eine große Tradition. Ist das ein Rollenbild für die nächsten paar Jahre für Sie? Das wechselt immer. Nach der „Knickerbockerbande“ bin ich ein paar Jahre nur als der Freund gecastet worden: ans Set, bissi knutschen und wieder gehen. Mit „In 3 Tagen bist du tot“ hat sich das geändert, und ich habe auch öfter die Bösewichter bekommen.
Gibt es etwas, wo Sie sagen: Das mach ich nicht? Hatte ich schon. Es gibt Regisseure, die gerne provozieren. Das ist schon ganz okay so, aber wenn ich in der Zusammenfassung schon lese, dass ich vor Nonnen onanieren soll ... Ich bin Schauspieler und kein Gesichtsverleiher. Wenn eine Nacktszene sein soll, muss sie Sinn haben. Nur damit man einen Penis durchs Bild wacheln sieht – Entschuldigung, aber dafür bin ich mir zu gut.
Wie geht es bei Ihnen jetzt weiter? Ich habe gerade den „Tatort: Sternschnuppe“ in Wien abgedreht, aktuell „CopStories“. Ein neues Projekt habe ich nicht. Generell habe ich im Winter immer sehr viel Freizeit. Also wenn wer was braucht ...
Was machen Sie denn, wenn Sie so viel frei haben? Ich gehe gerne Airwheel oder Motorrad fahren, schwimmen oder mit Freunden fort. Oder ich spiele Playstation oder Handy.
Mit wem möchten Sie unbedingt noch zusammenarbeiten? Seit ich ein Kleinkind bin, ist mein Traum, für Steven Spielberg zu spielen. Oder in irgendeinem „Star Wars“-Teil, da würde ich sogar als Statist mitrennen. Und generell möchte ich mehr Actionfilme drehen. Ich hoffe, die Österreicher trauen sich da bald mehr. Wir müssen ja nicht 17 BMW in die Luft jagen, dann nimmt man halt 17 Einsergolf oder lässt ein Radl explodieren. Wenn man weniger Budget hat, muss man halt mehr arbeiten.
Und außerhalb von Österreich? Ich würde mir wünschen, dass die Deutschen ein bisschen lockerer werden, was die Sprache betrifft. Kein Wiener traut sich, in einer deutschen Produktion zu wienern, und trotzdem sagen sie dir: Du wienerst. Bei uns lacht auch keiner über einen deutschen Akzent. Also könnten sich die Deutschen langsam daran gewöhnen, dass die Wiener ein bisschen singen beim Reden. Und außerdem: Wer redet denn in Berlin schon richtig Berlinerisch? Oder in Ottakring Ottakringerisch? Wir sind alle alles: Wir sind einfach ein Sauhaufen.
FILMISCHES
Ob Ottakring immer noch der hipste Bezirk von Wien ist, sei dahingestellt. Es ist aber definitiv derjenige, über den es am meisten zu erzählen gibt: Multikulti, Gentrifizierung, schicke Villen ‒ der Sechzehnte ist ein vielfältiger Kosmos in sich. Ein Planet gar, fanden Drehbuchautor Mike Majzen und Regisseur Michi Riebl und erdachten ein modernes Märchen über ein romantisch verschrulltes Ottakring, wie sie es sich wünschen und wie es nie so lieblich ausgesehen hat wie bei ihnen. „Planet Ottakring“ nennen sie wahlweise „sozialkritische Gaunerkomödie“ nach irischem Vorbild oder die „ultimative österreichische Sommerkomödie“.
Michael Steinocher darf sich in die filigrane deutsche Wirtschaftsstudentin Valerie (Cornelia Gröschel) verlieben, während Sandra Cervik ihre große Liebe, den „letzten Paten von Ottakring“ gerade verloren hat. Zugegeben, die Figuren in „PO“ reden manchmal ziemliches (Sechzehner)Blech. Unterhaltsam ist der Film dennoch ‒ und ein hübscher Blick ins Wartezimmer für die künftige erste Reihe der Wiener Schauspielerelite: von Sebastian Wendelin, Wilhelm Iben, Christopher Schärf und natürlich Steinocher selbst wird man sicher noch mehr sehen.
Kinostart: 14. August