Psychospieler
Er tritt im Simpl auf (zunächst am 25. Januar), doch was er macht, ist recht komplex: Harry Lucas ist Mentalist und beantwortet Fragen, ohne dass Sie sie ausgesprochen hätten
Fantastisch. Er ist kein Hellseher, er schaut nicht in die Zukunft. Er schaut in der Gegenwart in die Köpfe der Leute und findet heraus, woran sie gerade denken. Harry Lucas tritt als Mentalist im ORF auf („Magic Mushrooms“ in der Donnerstagnacht) und füllt das Kabarett Simpl und andere Häuser in Österreich mit seiner Show „Fantastische Kopfspiele“. Kein Hokuspokus, sagt er, sondern reine Psychologie: ein Studium der Körpersprache und Verhaltensforschung à la Konrad Lorenz. Sie denken, das ist Humbug? Nun, Harry Lucas weiß, dass Sie das denken. Denken Sie darüber nach.
Herr Lucas, eigentlich könnten Sie das Interview selbst führen. Meine Gedanken kennen Sie ja. Na gut. Die erste Frage ist: Wann habe ich angefangen, wie wird man Mentalist?
War nicht meine erste Frage, war aber natürlich dabei. Ich bin über die Schiene Zauberkunst reingekommen. Mit fünf habe ich einen Zauberkasten bekommen. Mich haben weniger die Tricks interessiert, sondern das Spiel mit den Leuten. In Bio wurde mir immer viel zu wenig über Verhaltensforschung gesprochen. So habe ich begonnen, mich für Psychologie zu interessieren.
Haben Sie dann auch Psychologie studiert? Nein, denn im Studium geht es sehr viel um Krankheiten. Und wenn man auf der Bühne stehen will, sind die weniger relevant.
Das klingt ja jetzt gar nicht nach einem spirituellen „Ich habe eine Gabe!“. Nein, was ich habe, ist eine Leidenschaft, mich lange mit etwas zu beschäftigen und es zu perfektionieren. Wie bei anderen das Klavierspiel.
Was für Gedanken lesen Sie? Wie weit ins Leben der Leute dringen Sie vor? Meist geht es um konkrete Spiele im Moment. Aber gegen Ende der Show habe ich den sogenannten Telepathieakt. Da denken die Leute an eine bestimmte Frage, und ich muss herausfinden, was diese ist, und eine Antwort zu geben. Da kommen dann sehr persönliche Fragen wie „Werde ich je Kinder haben?“
Gibt es viele, die sich einen Sport daraus machen, Sie bloßzustellen? Viele nicht, aber man trifft sie immer wieder. Das Schöne ist, wenn jemand dagegenarbeitet, zeigt sich ein ganz eigenes Muster und er wird erst recht vorhersehbar.
Sie lassen sich auch für Firmenevents buchen. Ist das ein sehr anderes Publikum? Schwierig ist, wenn du am Ende einer Weihnachtsfeier auftreten musst, in der die Belegschaft gerade erfahren hat, dass es sie im nächsten Jahr in dieser Firma nicht mehr geben wird.
Haben Sie Vorbilder? Ich lese gerne Bücher über Performer aus den Zwanziger und Vierzigern. Die waren teilweise richtige Stars im Vaudeville.
Weiß man dann, wenn man selbst Insider ist, wie die’s gemacht haben? Ich habe so eine Idee, wie es gelaufen sein könnte. Aber es gibt keine Codes oder so.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Manuel Horeth, dem „anderen“ TV-Mentalisten? Wir kennen einander seit vielen Jahren, aber ich habe seine Show noch nie sehen können.
Sie haben mal gesagt, es gibt Moden bei Mentalistenshows. Was zum Beispiel? Vor ein paar Jahren war es wahnsinnig interessant, auf Becher zu hauen, und unter einem davon ist ein Nagel. Dabei haben sich einige wirklich verletzt. Auf die spontanen Stigmata-Blutungen kann ich verzichten. In den Siebzigern war russisches Roulette in Amerika sehr beliebt: Zuschauer schossen auf den Performer, eine der Waffen war geladen. Für mich wäre das nix. Und die Bühnenpolizei würde auch ein Veto einlegen.
Sie begeben sich in Ihrer Show also nicht in Lebensgefahr? Das möchte ich nicht sagen. Es sind keine gefährlichen Gegenstände auf der Bühne. Aber es gibt eine Nummer, die ist sehr arg. Da ist schon manchem buchstäblich das Herz stehen geblieben.