In St. Pölten haben sie Halloween einen Monat vorverlegt. Von der Bühne des Landestheaters gaffen tiefschwarze Augenringe aus knochigen Totenköpfen. Je später der Abend, desto toter die Gäste. Wenn der titelgebende „Radetzkymarsch“ von Johann Strauss (Vater) nach zweieinhalb Stunden endlich in einer grotesk verzerrten Fassung ertönt und jemand die Ermordung des Thronfolgers ankündigt, ist fast jeder in Zombieland angekommen. „Wir alle leben nicht mehr“, hat kurz vorher der Graf Chojnicki zum Baron von Trotta gesagt und damit die verblassende österreichisch-ungarische Monarchie unter Kaiser Franz Joseph gemeint. Aber zu diesem Zeitpunkt haben alle schon verstanden, dass es auch für die Beteiligten der heutigen Eröffnungspremiere gilt.
Die Untotheit eines Systems, das sich längst überlebt hat, ist konzeptueller Ausgangspunkt der Inszenierung von Burgschauspieler Philipp Hauß. Er hat sich am Landestheater Niederösterreich bereits mit einer Nestroypreis-nominierten Inszenierung („Mamma Medea“) bewährt und erzählt jetzt dem allgemeinen Jahresmotto „Stell dir vor, es ist Krieg“ folgend eine Geschichte, die aus österreichischer Sicht zum Ersten Weltkrieg hinführt. Joseph Roths Monarchie-Abgesang „Radetzkymarsch“ schildert das Leben des Leutnants Carl Joseph von Trotta und seiner Vorfahren, deren einer dem Kaiser in der Schlacht von Solferino das Leben rettete und zum Helden hochstilisiert wurde. Die Allgegenwart des Großvaters, des Helden, und die kühle Strenge des Vaters, des musterhaften Beamten, lasten auf Carl Joseph, er findet nie so richtig zu sich, obwohl bzw. weil er zwangsläufig auch die Militärlaufbahn antritt.