In seiner neuen Arbeit lässt der Choreograf Michael Turinsky körperliche Behinderung verschwinden
Es mag sein, dass Michael Turinsky aufgrund seiner angeborenen Erkrankung verhältnismäßig langsam spricht. An seiner Schlagfertigkeit ändert das aber nichts. Im Falter-Gespräch erfährt er, dass der aktuelle Kulturminister Gernot Blümel ebenso Philosophie studiert hat wie er. Ob das denn positive Auswirkungen auf die Politik haben werde? Turinsky antwortet: „Louis Althusser hat gesagt, die Philosophie ist in der Theorie der Klassenkampf. Insofern kann ich nur sagen: Man muss halt auf der richtigen Seite stehen.“
Der 1978 geborene Wiener leidet seit seiner Geburt an einer Lähmungserkrankung mit der Bezeichnung Zerebralparese, er sitzt im Rollstuhl. Dass er trotzdem seit 14 Jahren als Tänzer arbeitet, ist für ihn längst normal. Mit der Zeit hat sich Turinsky zu Österreichs wichtigstem internationalen Vertreter der sogenannten Inklusivkunst entwickelt, noch bevor dieser Begriff populär wurde. Inklusiv ist Tanz oder Theater, bei dem Menschen mit körperlicher oder mentaler Behinderung eingebunden sind oder, besser noch, selbst gestaltend agieren.
Schon allein durch Turinskys Präsenz auf der Bühne behandeln seine Arbeiten unweigerlich das Thema des als behindert geltenden Körpers. Auch in seiner neuesten Choreografie „Reverberations“ (der Titel lässt sich mit „Nachwirkungen“ oder „Nachhall“ übersetzen) spielt körperliche Behinderung eine Rolle, obwohl Turinsky selbst diesmal gar nicht auf die Bühne kommt.
Man könnte auch sagen, es geht ebengerade darum, die Behinderung verschwinden zu lassen.
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