Anfangs beschließt die Hauptfigur einfach nur, kein Fleisch mehr zu essen. Dann beginnt eine schrittweise Verwandlung in Han Kangs "Die Vegetarierin". Die Rechte auf den Roman hatte sich das Burgtheater schon gesichert, bevor Kang den Literaturnobelpreis erhielt. Und ja, es ist der absolut richtige Stoff für Regisseurin Marie Schleef.
10. Mai 2025. Kommen Romane auf die Bühne, gibt es in der Regel zwei mögliche Resultate: treue Nacherzählung (laaangweilig!) oder eigenständiges Kunstwerk (Sakrileg!). Und wie eigen darf es gar werden, wenn die Autorin wie im vorliegenden Fall den Literaturnobelpreis eingeheimst hat, als der Termin für die deutschsprachige Erstaufführung längst auf dem Spielplan stand?
Der Regisseurin Marie Schleef sind solche Lorbeeren egal, sie mag Texte über Frauen, deren Körper eine Verwandlung durchlaufen – in "The Mushroom Queen“ etwa in einen Pilz, in Han Kangs Bestseller eben in eine Pflanze –, und ihre starke Handschrift führte sie mit "Er putzt" gerade erst zum Festival Radikal jung. Doch siehe da, Schleef gelingt es, die beiden Schulen der Literaturadaption zu vereinen: Originaltreu? Durchaus. Kunstwerk? Jedenfalls.
Große Verwandlungserzählung
"Die Vegetarierin", 2007 in Südkorea erschienen, erlangte 2016 globale Bekanntheit, als die englische Übersetzung mit dem Man Booker International Prize ausgezeichnet wurde. Ein Jahr später kam das Buch auf Deutsch heraus. Auf den 190 Seiten passiert so einiges, Schleef hat in ihrer Fassung 14 Seiten Dialog übriggelassen. Den bannt sie im Akademietheater der Wiener Burg nicht wie sonst manchmal auf Übertitel. In den drei Akten spricht das Ensemble live, über den Videosequenzen jeweils davor liegt die Stimme der Hauptdarstellerin Kotti Yuns, die bizarre Träume schildert.