Wie wir es drehen und wenden: Der Blick nach vorn macht keine Freude. Das war auch schon im Theaterjahr 2024 so. Die Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten stand zwar die längste Zeit noch aus, doch unter dem Eindruck des Hamas-Terrors in Nahost und des immer noch anhaltenden Krieges in der Ukraine dominierte Depression. Rechte Tendenzen und Wahlerfolge in Deutschland und Österreich verstärkten die Scheu vorm Verfolgen der Nachrichten, die Angst vor der nahen Zukunft.
Was tut das Theater also in seinem künstlerischen Ehrgeiz? Oftmals schaut es zurück. Wenn etwa Anita Vulesica das Hörspiel „Die Maschine“ von Georges Perec aus dem Jahr 1968 in Hamburg auf die Bühne bringt, sezieren keine Smartphones oder Algorithmen Goethes Gedicht „Wandrers Nachtlied“. Zu sehen ist vielmehr ein raumgreifendes, umständliches Gebilde, das dem damaligen Verständnis des französischen Autors von Technologie wohl recht nahe kommt. In Luise Voigts Münchner Inszenierung wirkt Bertolt Brechts „Die Gewehre der Frau Carrar“, als sähen und hörten wir einen Film aus der Entstehungszeit des 1937 erschienenen Debattenstücks über Krieg und Waffen, Mut und Kapitulation. So perfekt ist die Schwarz-weiß-Illusion von Bühne, Licht und Kostüm, so authentisch knarzt die Sprache der Schauspieler*innen.
Für Meryl Tankard bildet der Griff in die Geschichte überhaupt die Daseinsgrundlage ihrer zum Theatertreffen 2025 eingeladenen Arbeit. Die Mitwirkende am historischen Gruppenstück „Kontakthof“, mit dem Choreografin Pina Bausch ihr Genre revolutionierte, holt acht ihrer 20 Kolleg*innen ins Originalbühnenbild zurück. Gemeinsam „reenacten“ sie die Inszenierung, die unvergesslich ist – für die Fans des Tanztheaters Wuppertal, sichtlich aber noch mehr für die Körper der Kompaniemitglieder, mögen diese auch 46 Jahre älter sein als bei der Premiere. Fernsehbilder ihrer jungen Alter Egos überlagern das Geschehen wie Hologramme, holen das Gestern ins Heute.