Vor 35 Jahren provozierte dieses Jelinek-Stück einen Angriff auf die damalige Volkstheater-Direktorin. Nun schickt Claudia Bauer einen Schmusechor auf die Bühne, um die alten Wunden zu heilen. Auch Elfriede Jelinek selbst hat einen Auftritt. So hat man sie noch nicht erlebt.
25. Januar 2025. Elfriede Jelinek und der Wiener Schmusechor, das ist doch eine überraschende Paarung. Sie: niemals kuschlig, er: zum Dahinschmelzen lieb. Die Neujahrskonzerte der etwa 50-köpfigen Truppe von Dirigentin Verena Giesinger im Wiener Volkstheater waren ausverkauft und dem Vernehmen nach geradezu magisch.
Nun sind Giesinger und einige ihrer Sänger:innen hierher zurückgekehrt, um ausgerechnet ein Stück der bissigen Nobelpreisträgerin klanglich zu untermalen. In eleganten Abendkleidern (auch die männlich gelesenen Mitglieder) nehmen sie anfangs im Orchestergraben Platz und stimmen auf Claudia Bauers Inszenierung von "Krankheit oder Moderne Frauen" ein. Schon 1990 lief dieses Stück als eine der ersten Jelineks auf der großen Volkstheater-Bühne. Ein Mann griff deshalb die damalige Direktorin Emmy Werner auf der Straße an und wollte sie würgen.
Der Beginn des Kalauerns
Jelineks Werke waren schon harte Brocken, bevor sie zur tagesaktuellen Textfläche überging. Es gibt zwar Figuren, aber die reden kaum miteinander, stoßen eher frontal Selbstbeschreibungen in einer bereits schleichend vom Kalauervirus befallenen Sprache aus. Hier sind dies der Gynäkologe/Zahnarzt Heidkliff und seine Arzthelferin/Verlobte Emily, die schriftstellerische Ambitionen hegt und außerdem Vampirin ist, sowie der Steuerberater Hundekoffer samt schwangerem Hausmütterchen Carmilla. Letztere wird im Zuge ihrer sechsten Geburt von Emily untot gebissen und zu deren Geliebter.