Marcus Lindeen und Marianne Ségol vereinen in „Memory of Mankind“ einmal mehr Dokumentarisches und Fiktion
Es ist leicht, sich vorzustellen, dass jemand alles vergisst. Das andere Extrem scheint selbst im Kollektiv unmöglich: sich an alles zu erinnern. Marcus Lindeen arbeitet gerne mit Extremen. In seiner neuesten Zusammenarbeit mit der Dramaturgin Marianne Ségol versucht der schwedische Theatermacher, sie in einem Raum zusammenzubringen.
Auf der einen Seite steht Martin Kunze, ein Künstler, der dem Theaterabend auch seinen Titel spendet: „Memory of Mankind“ heißt schon seit 2012 Kunzes monumentales Archivprojekt: In einer Salzmine in Hallstatt sammelt er auf Keramikplatten Informationen, die den Generationen in ferner Zukunft Aufklärung über die Menschheit der Gegenwart verschafft. Lindeen sprach ausführlich mit Kunze und erfuhr, dass dieser schnell von seinem Plan der kompletten Archivierung abrücken musste. „Jetzt trifft er täglich Entscheidungen“, so der Regisseur fasziniert: „Was lohnt es sich, in 100.000 Jahren noch zu wissen? Was nicht?“
Ihm gegenüber steht als zweiter Protagonist ein Mann, der an dissoziativer Amnesie leidet. Er verlor sein Gedächtnis und musste ein neues Leben beginnen. Den Mann gibt es wirklich, als fiktive Figur haben Lindeen und Ségol auch seine Frau, eine Schriftstellerin, hinzugefügt, die versucht, seine Geschichte zu erzählen. Schließlich ergänzt noch ein Archäologe, der nach Spuren queeren Lebens in der Frühgeschichte sucht, das unvergessliche Quartett.
Weiterlesen in der Festwochen-Beilage zum Falter 18/24