Ein großer Abend mit Schwächen: die Welturaufführung „Lacrima“ von Caroline Guiela Nguyen in Wien
Die französische Theatermacherin Caroline Guilea Nguyen arbeitet gerne mit Schauspielprofis und Laien. Seit September 2023 leitet sie das Théâtre National de Strasbourg. Die Welturaufführung von Nguyens erster dort produzierter Arbeit als Autorin und Regisseurin haben sich jedoch die Wiener Festwochen unter ihrem neuen Intendanten Milo Rau gesichert. Mit der Halle E im MuseumsQuartier wurde einer der größten Bühnenräume des Festivals bereitgestellt. Zurecht: „Lacrima“ ist ein im wahrsten Sinne des Wortes großer Theaterabend.
Auch diesmal machen einige mit, die zum ersten Mal Theater spielen. Der Unterschied zu den Profis lässt sich höchstens erahnen. Erzählt wird die Entstehungsgeschichte eines Brautkleids. Trotz eingehender Recherchen ist es so fiktiv wie seine Trägerin: Eine „Prinzessin von England“ gibt es in Auftrag, den Zuschlag erhalten ein aufgeblasener Modeschöpfer (Vasanth Selvam) und sein Pariser Atelier. Dessen Leiterin Marion (Maud le Grevellec) ist die Hauptfigur in Nguyens Narration. Am Ende des nervenaufreibenden Prozesses, das in der allerersten Szene vorweggenommen wird, versucht sie, sich das Leben zu nehmen.
Denn es ist kompliziert: Die Stickereien – über 200.000 Perlen – werden in Mumbai von einem der wenigen Unternehmer (ebenfalls Selvam) übernommen, die widerwillig westliche Auflagen anwenden. Nur ein einziger Handsticker (Charles Vinoth Irudhayaraj) investiert dort Tausende Arbeitsstunden. Der Schleier schließlich soll aus der berühmten „Spitze von Alençon“ in der Normandie bestehen. Dort pflegen Spitzenklöpplerinnen ein traditionelles Handwerk, das einst gehörlose Nonnen perfektionierten.