Die neue Burg-Direktion nimmt Fahrt auf – neben Therese Willstedts „Orlando“-Adaption stehen zwei Solos auf dem Programm: Thomas Bernhards „Holzfällen“ mit Nicholas Ofczarek und Stefan Zweigs „Schachnovelle“ mit Nils Strunk
Stressfrei ist Stefan Bachmanns Start an der Burg nicht über die Bühne gegangen. Einige der ersten Premieren seiner Direktion waren vom Pech verfolgt. Für den Eröffnungs-„Hamlet“ (Theater heute 10/2024) hatte der angekündigte Star, Ifflandring-Träger Jens Harzer, schon vor dem Sommer abgesagt. Zum Premierenapplaus kam Regisseurin Karin Henkel dann auch noch mit Beinschiene und Krücken auf die Bühne gehumpelt. Da wunderte dann niemanden mehr, dass der grundsätzlich charmante Abend unfertig wirkte. Eine solche Verletzung, wie auch immer sie entstanden sein mag, hatte wohl weitere Probenausfälle nach sich gezogen. Aber so ein Neustart lässt sich halt auch nicht einfach verschieben.
Kurz darauf fiel die nächste Ringträgerin aus: Kammerschauspielerin Regina Fritsch (Anna-Seidler- und Albin-Skoda-Ring) erkrankte wenige Tage, bevor sie die Titelrolle des Argan in Bachmanns eigener Molière-Inszenierung „Der eingebildete Kranke“ hätte übernehmen sollen. Die ursprüngliche Kölner Besetzung, Rosa Enskat, sprang ein. Was eine Wiener Fassung hätte werden sollen, blieb in Sachen Humor sehr bundesdeutsch.
„Orlando“, die Eröffnungspremiere im Akademietheater, ging problemlos über die Bühne. Sogar die Renovierung der Bestuhlung war zeitgerecht abgeschlossen worden – für Bachmann, der am Schauspiel Köln zuvor jahrelang ein Ausweichquartier bespielt hatte, sicherlich eine ungewohnte Erfahrung. Auch hier war freilich etwas besonders: Eine der sieben Spieler:innen, Nina Siewert, trat hochschwanger auf. Bereits wenige Vorstellungen später wurde sie durch die im Programmheft bereits angeführte Zweitbesetzung Andrea Wenzl ersetzt.
Diese Umbesetzung dürfte ins Gewicht fallen, denn obwohl in der Inszenierung der Schwedin Therese Willstedt sieben gleichberechtigte Orlandos zwischen Lamellenvorhängen hervorhuschen und sich auch lustvoll matchy-matchy kleiden, kommt Siewert/Wenzl eine besondere Rolle zu. Sie ist diejenige Orlando-Figur, die sowohl anfangs als auch am Ende den existenzialistischen Charakter der Aufführung auf den Punkt bringt: „Ich bin immer noch hier. Oder?“
Virginia Woolfs Schelmenroman aus dem Jahr 1928 wird derzeit besonders häufig fürs Theater adaptiert. Der Grund dafür ist klar: Eine Figur, die als Mann beginnt und im Zuge einer Reise durch die Jahrhunderte zur Frau wird, entspricht dem Zeitgeist mindestens so sehr wie die Locken-Vokuhila-Perücken, die alle sieben auf der Bühne hier tragen. Dass die britische Schriftstellerin die spontane Transition (und das Ausbleiben äußerlicher Alterung) mit ihrem fantasievoll frechen Humor weder erklärte noch ein großes Getöse darum machte, tut wohl. Man möchte mit dem Buch winken und milde lächelnd sagen: Seht ihr, geht doch.
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