In meinem 2016 erschienenen „Buch der Schurken“ versammelte ich 100 der genialsten Bösewichte der Weltliteratur in einem Minilexikon. Einige blieben dabei auf der Strecke. Schändlicherweise. Hier begleiche ich nach und nach die schurkische Schuld.
Ein Laib Brot kostet 4.190 Kronen! Keine Ahnung natürlich, wie viel das ist, nur dass es viel zu viel ist. Inflationstreiberei und Wirtschaftskrise im Wien der 1920er-Jahre sind thematische Anknüpfungspunkte, die es gewissermaßen zur Pflicht machen, dass der Verlag Edition Atelier seine Entdeckung des Romans „Jazz“ von Felix Dörmann in diesen Tagen neu herausgibt. Es gibt dafür aber noch andere gute Gründe: Praktischerweise lässt sich bei dieser Gelegenheit das eine oder andere N-Wort aus dem ursprünglich 1925 erschienenen Werk tilgen. Vor allem aber wirft die Neuauflage ein grelles Scheinwerferlicht auf einen veritablen Superschurken der Kategorie Egoschwein.
Ernö Kalmar ist Siebenbürgener Ungar, nun gut. Was er noch ist, lassen wir ihn einfach selbst aufzählen, in einem Gedankenmonolog, in dem er sich selbst auf die Schulter klopft: „Schauspieler, Juwelenagent, Journalist, Terrorist, Emigrant, Hungerleider, Winkelbankier, Kokainhändler – und weiß Gott, was noch alles“. Und diese Liste stammt noch aus der Phase, bevor Kalmar die verarmte und verwaiste Adelige Marianne in ihrer Geld- und Lebensnot ausgenutzt und mit ihrer Hilfe Ruhm und Reichtum erlangt hat. Es folgt ein gekonntes Spiel auf dem Saxofon der rücksichtslosen finanziellen Spekulation. Hausse, Baisse – Jazz!
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