Medea ist eine psychotische Pillenschluckerin und das Familienunternehmen hat Beef mit dem Tech-Start-up: Nuran David Calis zieht das Drama des österreichischen Nationaldichters aus dem frühen 19. Jahrhundert mit Schmackes in die Gegenwart. Doch die Sprache bleibt die alte. Kann das gutgehen?
30. April 2023. Das mittlere Kind hat es oft nicht leicht. Franz Grillparzers Drama "Die Argonauten" wird in der Regel bestenfalls als Teil der gesamten Trilogie "Das goldene Vließ" aufgeführt, und da warten alle nur ungeduldig auf den Kindermord in "Medea". Dabei ist der Mittelteil jener, der sich hauptsächlich um das titelgebende Objekt dreht: Jason fährt nach Kolchis, um es für seinen königlichen Onkel zu besorgen, und hat nach einigem Hin und Her auch Erfolg – dank Medea, die aus Liebe zu ihm ihre Familie verrät.
Hier geht die Party ab
Vier Aufzüge sind das immerhin, die nun am Salzburger Landestheater zur abendfüllenden Entfaltung kommen. Regisseur Nuran David Calis verlegt die Handlung in eine moderne Großstadt, die sich eingangs nächtlich vor den Fenstern eines komfortablen Lofts erstreckt. Hier geht die Party ab, denn die Kolchis Corp. ist gerade in Besitz des begehrten Vließes gelangt. Doch das Team von Argo Invest ist bereits ante portas, um es sich wiederzuholen.
Zweifellos: In Anne Ehrlichs Bühnenbild möchte man einziehen. Die Inszenierung hat allerdings ihre liebe Mühe, es sich darin gemütlich zu machen. Denn dass aus Barbaren und Griechen die Rivalität zwischen einem traditionellen Familienunternehmens und einem jungen Tech-oder-sowas-Start-up geworden ist, entnehmen wir lediglich eingeblendeten Tweets und Wirtschaftsmagazin-Covern sowie dem Kostümbild: Anzugträgern im Hause Kolchis stehen schwarzes T-Shirt und Sonnenbrille, Ohrringe und Goldkettchen gegenüber. Worte und Versmaß hingegen bleiben, wenn auch entschnörkelt und gekürzt, jene des österreichischen Nationaldichters aus dem frühen 19. Jahrhundert.