Die Autorin Magdalena Schrefel hat Wien auch sprachlich hinter sich gelassen. Ihr neues Stück hat dennoch hier Premiere
Ihren Interviewer erkennt Magdalena Schrefel daran, dass er im Kreuzberger Café mit österreichischem Akzent bestellt. In die andere Richtung wäre der Versuch gescheitert: Dass sie aus Wien stammt, hört man der 39-Jährigen nicht an. Ihre Sprachmelodie ist makellos deutsch-deutsch, oft streut sie das Wörtchen „krass“ ein.
Anlass der Verabredung in Berlin, wo sie seit 2014 wohnt, ist Schrefels Theaterstück „Die vielen Stimmen meines Bruders“. Die bisher vielleicht interessanteste Arbeit der unkonventionellen Literatin feiert am 8. November im Kosmos Theater seine Wien-Premiere. Als Koautor firmiert offiziell ihr jüngerer Halbbruder Valentin Schuster, wobei Schrefel betont: „Jedes Wort habe ich geschrieben. Kritik am Text ist Kritik an meinen Worten.“
Die Hauptfiguren heißen „Mein Bruder“ und „Seine Schwester“. Sie sind fiktiv, haben aber mit ihren realen Vorbildern Entscheidendes gemein: Die Schwester ist Autorin, der Bruder sitzt im Rollstuhl. Ein Gendefekt erschwert ihm zunehmend das verständliche Sprechen.
2021 eröffnete Schuster seiner Schwester, er erwäge, Stimmassistenz in Anspruch zu nehmen. Dabei tippt man einen Text in ein Tablet, das diesen dann hörbar wiedergibt – in einer Stimme der Wahl. Die Möglichkeit, sich Stimmen auszusuchen, etwa eine erotische, eine starke Stimme oder eine Montagsstimme, inspirierte Schrefel. Ihr Bruder erlaubte ihr, dem Thema literarisch nachzugehen, und war stets erster Leser der Dialoge.
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