Bühne. Im Krieg steht die Individualität auf der Probe. Das Münchner Volkstheater zeigt Ágota Kristófs Roman „Das große Heft“
„Jeder Mensch muss sein eigenes Leben führen.“ Aber geht das überhaupt, Individualität, wenn der Krieg alle gleich macht? Dieser Frage widmete sich die gebürtige Ungarin Ágota Kristóf (1935–2011) in ihrer auf Französisch verfassten Romantrilogie über ein Zwillingsbrüderpaar im und nach dem Zweiten Weltkrieg.
So richtig bekannt ist nur der 1986 erschienene erste Teil „Das große Heft“. Den entdecken dafür in den letzten Jahren auch die Theater für sich, enthält er doch viele Dialoge und ist im Präsens sowie in der reizvollen Wir-Form erzählt: Die neunjährigen Zwillinge, die bei der Großmutter am Land den Krieg übertauchen sollen, sprechen bis zur Trennung auf der letzten Seite als Einheit.
Jetzt hat das Münchner Volkstheater den Regisseur Ran Chai Bar-zvi mit dem Stoff betraut. Dabei hängt alles an einer dramaturgischen Setzung: Bar-zvi rahmt die Erzählung mit Ausschnitten aus Kristófs Fortsetzungen „Der Beweis“ und „Die dritte Lüge“. Der Abend beginnt und endet mit dem Versuch eines gewissen Claus (Jonathan Müller), nach dem Fall des Eisernen Vorhangs seinen Bruder Lucas aufzuspüren. Zwar findet er einen Lucas, der streitet aber ab, Claus’ Bruder zu sein.
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