Eine Melange und ein Pain au Chocolat: Ilija Trojanow, 58, bittet in der Nähe seiner Wohnung im Wiener Servitenviertel in ein Frühstückscafé. Der Weltliterat und „Weltensammler“ hat gerade den Roman „Tausend und ein Morgen“ herausgebracht. Auf über 500 sprachlich gewitzten und originell gesetzten Seiten macht die „Chronautin“ Cya Raumzeitreisen an Wendepunkte der Geschichte. Ein Gespräch über die Notwendigkeit von Utopien.
Herr Trojanow, dieses Interview steht in unserer Österreich-Ausgabe. Sie leben in Wien. Sehen Sie sich als österreichischen Literaten?
Gerade war ich in Albanien, da haben drei verschiedene Leute behauptet, ich sehe aus wie ein Albaner. Kein Problem, dann bin ich eben bulgarisch-kenianisch-deutsch-indisch-österreichischer Albaner!
Beeinflusst Sie die österreichische Literatur?
Als Jugendlicher habe ich täglich Georg Trakl gelesen. Joseph Roth ist einer der größten Romanciers überhaupt. Wer die deutsche Sprache liebt, kommt an der österreichischen Literatur gar nicht vorbei. Sie ist im Vergleich zur Größe des Landes wahrscheinlich die stärkste, die es gibt.
In „Tausend und ein Morgen“ spielt der Begriff des Möglichkeitssinns eine große Rolle. Da musste ich natürlich an Robert Musil denken.
An Musils „Mann ohne Eigenschaften“ kann man schon anknüpfen, weil er die klassische Vorstellung dessen, was ein Roman ist, ausdehnt. Heute findet eher eine Verengung des Romanbegriffs statt, als Nacherzählung von Leben. Da finde ich eher wie Musil, dass der Roman uns am besten erlaubt, die Komplexität von Realität abzubilden. Romane sind Feststuben der Fantasie. Der Roman kann in einem geschützten und gleichzeitig verführerischen Raum des Fiktionalen durchspinnen, was sein könnte, um den Menschen aus dem Gefängnis des real Existierenden zu befreien.