Dass man sich vorher eine Stückzusammenfassung durchlesen sollte, wenn man hier die Handlung durchschauen will: geschenkt! Denn Regisseur Jan Bosse holt mit erstklassigen Schauspieler:innen einen sündhaft vergnüglichen Abend aus Jakob Noltes eigenwilliger Shakespeare-Neuübersetzung heraus.
24. Juli 2022. Das gab’s auch noch nicht oft, dass sich beim Premierenapplaus der Übersetzer solo verbeugen darf. Freilich war vielen heftig Klatschenden bei den Bregenzer Festspielen wohl nicht klar, dass hier Jakob Nolte nach vorne geschickt wurde, jener Mann, der Shakespeares Zaubermärchen "Der Sturm" ins Deutsche übertragen hatte. So ließ sich bedauerlicherweise weder durch Aufwallen noch Abebben des Jubels feststellen, wie der höchst eigenwillige Text ankam.
Arbeitsverweigerung oder Konzeptkunst?
Der 1988 geborene Schriftsteller ging für diese Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin anders vor als 2019 bei seiner ebenfalls hier erstaufgeführten Bearbeitung des "Don Quijote". Nolte übersetzte den "Sturm" wie ein Philologe, der sich einer toten Sprache nähern möchte: Wort für Wort. Was für manche ein erster Schritt in der Translationsarbeit ist, war für ihn das Endergebnis. "Do you love me?" wurde zu "Tust du lieben mich?", "Follow, I pray you" sinnfrei zu "Folgt, ich bete dich", und die Kontraktion "don't" heißt auf deutsch "tun'cht". Solche Scherze.
Arbeitsverweigerung oder Konzeptkunst? Für Regisseur Jan Bosse ist das keine Frage, zumindest keine hinderliche. Er nimmt den kruden Text und macht daraus großes, lustvolles Theater. "Der Sturm", so Nolte/Bosses These, war eh nie ganz ernst zu nehmen. Weder Komödie noch Tragödie, schwelgt er in einer Traumwelt, in der alles mit einem Fingerschnippen des mächtigen Zauberers Prospero möglich ist.