Das Stück ist ein Kritiker-Flop? Die Handlung um böse Zauberschwestern und minderbegabte Dichter kommt so haarsträubend daher, dass das Publikum sich in der Pause den Kopf freitrinken muss? Macht nichts! Denn die Sensation des Abends ist der Regisseur: Achim Freyer!
14. Juli 2022. Vor drei Jahren war es der Autor, der hier aufhorchen ließ: Die Raimundspiele Gutenstein zeigten erstmals seit ihrer Gründung 1993 nicht ein Stück von Ferdinand Raimund, sondern eines über den hier begrabenen Altwiener Volksstückdichter, in Auftrag gegeben bei Felix Mitterer. Die Hauptrolle hatte Johannes Krisch, damals Burgschauspieler. Inzwischen ist Krisch in Wien umgezogen – ins Ensemble des Theaters in der Josefstadt – und hat in Gutenstein die Intendanz übernommen. Nun ist der Regisseur die Sensation: Es ist der legendäre Bühnenbildner, Maler und Opernregisseur Achim Freyer.
Das Stück ist da fast egal. Es handelt sich um das Original-Zauberspiel "Die gefesselte Phantasie", Raimunds viertes Werk, 1828 als Benefizveranstaltung für den Dichter in Wien uraufgeführt und ein Kritiker-Flop. Es hieß, dem Verfasser fehle das Talent für den hohen Ton, realistischere Szenen gelängen ihm viel besser. Dennoch kam Raimund anders als sein Kollege Nestroy nie so ganz von den in Feenwelten angesiedelten, abgehobenen Fantasieerzählungen ab.
Zu schlecht zum Heiraten
Die Handlung von "Die gefesselte Phantasie" ist jedenfalls so haarsträubend (und wurde obendrein bis zur Konfusion zusammengestrafft), dass das Premierenpublikum eine 45-minütige Pause zwischen den jeweils ebenso langen Aufzügen brauchte, um sich den Kopf freizutrinken: Hermione, Königin der von lauter begabten Dichtern besiedelten Insel Flora, soll einen Ehemann wählen. Sie schreibt dazu einen Dichterwettstreit aus und hofft, der von ihr angebetete Hirte Amphio werde diesen gewinnen. Die bösen Zauberschwestern Vipria und Arrogantia jedoch nehmen die poetische Phantasie gefangen. Plötzlich ist ein tölpelhafter "Harfenist", also ein Wirtshausmusikant aus der Wiener Vorstadt (seinerzeit die Raimund-Rolle) der Einzige, der ein Gedicht zustande bringt. Leider ist es zu schlecht zum Heiraten. Da kann nur ein Deus ex machina helfen.