Martin Kušej, Regisseur und Intendant des Wiener Burgtheaters, hat ein Buch geschrieben. Amouröses kommt darin vor und Brenzliges und Vertratschtes. Und es ist flotter als manche seiner Inszenierungen.
23. Mai 2022. Das Cover ist schon ziemlich lässig. Martin Kušej in Schwarz-Weiß und einer nicht unbedingt vorteilhaften Pose, hochspringend, hinunterfallend oder im Windkanal treibend, man weiß es nicht genau. Davor in hellem Skandal-Orange die Lettern "KUŠEJ", nur der Nachname, eh klar, wer das ist, es kann nur einen geben, viel kleiner daneben der sehr schöne und in diesem Fall sogar deskriptive Titel: "Hinter mir weiß".
Nennen wir es: Buch
Der Regisseur und Direktor des Wiener Burgtheaters hat ein … nennen wir es: Buch, damit liegen wir auf jeden Fall richtig ... hat ein Buch geschrieben. Eine genauere Definition fällt schwer, denn es kommt alles Mögliche darin vor: Selbst-, Welt- und Theatererklärung, Herzschmerzromanhaftes ("Die Liebe hatte uns beide wie ein Tornado in schwindelerregende Höhen gezogen und dann brutal ausgespuckt"), Brenzliges ("'Komm, mach ihn kalt', sagte der eine Typ zu seinem Freund mit dem Messer") und natürlich auch Pointen (und Anekdoten von der ersten Regieübung bei Walter Czaschke oder einem missglückten Vorstellungsgespräch bei Claus Peymann).
Die Textsorte, die überraschend die meisten der 192 Seiten in Anspruch nimmt, sind aber Inhaltsangaben von Theaterstücken und Opern, die Martin Kušej im Laufe seiner Karriere inszeniert hat, gefolgt von seiner eigenen Interpretation. Nicht nur "Gesäubert" von Sarah Kane oder Kušejs selbstverfasste Soloperformance „Sprache – Zeit – Begegnung“, mit der er als junger Mann seine Heimat Kärnten empörte, werden ausführlich beschrieben, auch Schlingensiefs "Ausländer raus!"-Container im Jahr 2000 und Shakespeares "Hamlet". Vielleicht ist "Hinter mir weiß" also am ehesten ein Schauspielführer. Es wirkt, als hätte die Redaktion des Verlags edition a ihrem Autor gesagt, er könne von den Leser:innen nicht erwarten, dass sie sich mit Theater auskennen. Immerhin waren sie kundig genug, zu einem KUŠEJ zu greifen.