Das Performance-Duo El Conde de Torrefiel ist stets auf der Suche nach Leuten für seine Stücke. Auch in Wien castet es fleißig für ein Labor und zeigt zwei neue Stücke
Die Vorgaben lesen sich ansprechend seltsam: „Fühle ein Erdbeben! Verschiebe Möbel im Raum, bis dort eine andere/neue Stimmung herrscht! Suche mit großer Dringlichkeit nach etwas Verlorenem im Raum!“ Alle Interessierten, die am „Mitten“-Labor „Cosmic Movements“ von El Conde de Torrefiel teilnehmen möchten, sind aufgefordert, kurze Videos von sich einzuschicken, in denen sie die genannten Anweisungen erfüllen. Im Lab selbst wird dann „an energiegeladenen, überzeichneten und verrückten Situationen“ gearbeitet, die am letzten Nachmittag auch zur Aufführung kommen.
Willkommen in der Welt von El Conde de Torrefiel, einem in der Nähe von Valencia basierten Duo, das seit 2010 mit unkonventionellen Performances auf sich aufmerksam macht. Auf der Bühne sind nicht selten große, stumme Massenszenen zu erleben, die den öffentlichen Alltag darstellen. Manchmal stimmt dabei etwas nicht, kündigt sich Unheil an oder ist schon passiert. Die Übertitelung liefert parallel dazu ihre eigene Erzählung, die Tonspur ebenfalls. 2018 war bei den Wiener Festwochen nach diesem Konzept „La Plaza“ zu sehen, die Arbeit „Guerrilla“ lief 2016 beim steirischen herbst in Graz. Eine etwas andere Form wählte „KULTUR“, das seine Uraufführung beim Donaufestival in Krems 2019 feierte. Ein intimes Casting im Fotostudio fand auf engem Raum mit dem Publikum statt, während dieses über Kopfhörer in Du-Form einer mysteriösen Stimme lauschte.
El Conde de Torrefiel, so lautet schlicht die Adresse, an der Paolo Gisbert geboren wurde. Er und seine Partnerin, der Schweizerin Tanya Beyeler, zeigen bei den diesjährigen Wiener Festwochen gleich zwei neue Arbeiten, eine davon als Welturaufführung. Für diese, „Un imagen interior“ betitelt (zu Deutsch: „Ein Bild aus dem Inneren“), werden ebenfalls noch Mitwirkende in Wien gesucht, die sich den fünf Stammperformerinnen und -performern anschließen: eine Person mit roten Haaren oder langen Dreadlocks, ein achtjähriges Kind, eine über 80-jährige Frau und so weiter. Die Einschlusskriterien sind äußerst konkret formuliert: „Wichtig ist, dass sie dem Aussehen nach um die 80 oder älter wirkt. Weiße Haare sind hilfreich, um diesen Eindruck zu verstärken, aber sind kein Muss. Die Dame sollte dem Alter entsprechend bei guter Gesundheit und Fitness sein.“ Auch dieses Bewerbungsvideo hat es in sich: Man soll sich darauf bewegen wie Schilf im Wind. Wer auch immer die eingesandten Videos auswerten darf, hat einen lustigen Arbeitstag vor sich.
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