Er will nichts weniger als die Sprache dekolonialisieren: Fiston Mwanza Mujila, Grazer Schriftsteller aus Lubumbashi, hat mit „Tanz der Teufel“ seinen zweiten Roman vorgelegt.
Er sei der bestangezogene Autor, den sie je für die Buchkultur vor der Linse hatte, lobt Fotografin Beatrice Signorello. Fiston Mwanza Mujila hat sich für den Shoot in einem Park unweit des Hauptbahnhofs in seiner zweiten Heimat Graz viel Zeit genommen. Aber wer schön sein will, muss leiden. Auf den Bildern soll er ohne Jacke zu sehen sein, was er stoisch erträgt. Ganz warm ist es nicht an diesem Spätwintertag, immerhin scheint die Sonne. Die modische Brille tauscht der Autor bisweilen gegen eine dunkle mit UV-Schutz, denn seine Augen sind sehr empfindlich.
Gerade ist Fiston – die anderen beiden Namen auf seinen Buchdeckeln sind auch nur einige seiner zahlreichen Vornamen – von seiner jährlichen Reise in den Kongo zurückgekehrt. Dort hat er binnen drei Wochen mehrere Lesungen abgehalten und seine Mutter im Süden des Landes besucht, der Vater ist voriges Jahr gestorben. In der Minenstadt Lubumbashi, der zweitgrößten der Demokratischen Republik Kongo, wurde Fiston 1981 geboren. Einige Geschwister wohnen hier weiterhin, andere in Südafrika, Fiston ist der Einzige aus der Familie, der nach Europa gegangen ist. Und dann auch noch Graz, zwar ebenfalls die zweitgrößte Stadt ihres Landes, aber mit knapp 300.000 Einwohner/innen nur ein Siebentel so groß.
Deshalb ist er eben viel unterwegs, ein Weltbürger, der nach Wien, Berlin oder Brüssel reist. Seit etwa zehn Jahren hat er in seine Basis in der Stadt, die Werner Schwab, Wolfgang Bauer und Gerhard Roth hervorbrachte. An der Uni unterrichtet er gelegentlich Literatur, ein Jahr lang war er Stadtschreiber. „Ich bin ein Grazer Schriftsteller“, sagt er gerne. Dass er für seinen neuesten Roman „La Danse du Vilain“ mit dem Prix Les Afriques ausgezeichnet wurde, freut ihn dennoch. Denn er ist eben auch ein afrikanischer, ein kongolesischer Schriftsteller. „Heutzutage geht die Literatur über Grenzen, sie hat keine Nationalität“, meint er.
Als „Tanz der Teufel“ ist der preisgekrönte Roman jetzt auch auf Deutsch erschienen. Dass so auch der deutsche Verleihtitel eines Horrorfilms von Sam Raimi lautet, der in Fistons Geburtsjahr in die Kinos kam (im Original: „The Evil Dead“), ist ein amüsanter Zufall. Während Fistons Debütroman „Tram 83“, wie viele seiner Gedichte und Theaterstücke, in einer geografisch nicht näher verorteten Bar angesiedelt ist, die als Nabel der Welt und Sammelstelle für verlorene, exzentrische Gestalten dient, spielt „Tanz der Teufel“ klar im Staate Kongo, als dieser noch Zaire hieß und vom irren Diktator Mobutu Sese Seko beherrscht wurde, sowie in der Provinz Lunda Norte des benachbarten Angola, wohin es viele Kongolesen zum Diamantenschürfen zog. Später findet im Roman wie in Wirklichkeit die Revolution 1997 statt, in deren Folge das Land seinen heutigen Namen bekam.
Von Realismus kann trotzdem keine Rede sein. Eine alterslose „Madonna“ hält ihre männlichen Zuhörer mit fantastischem Seemannsgarn aus einer teils Hunderte Jahre zurückliegenden Vergangenheit in ihren Bann. Der Roman strotzt vor Subjektivität, die zahlreichen kurzen Kapitel werden von verschiedenen Figuren in der Ich-Form geschildert, und welche von ihnen gerade das Ruder in der Hand hat, erschließt sich erst durch gründliche Lektüre. Selbst ein auktorialer Erzähler ist darunter – wobei es sein könnte, dass es sich dabei um Franz Baumgartner handelt, Fistons erste explizit österreichische Figur.
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