Es läuft nicht rund am Burgtheater. Dennoch wäre es ein Fehler, Direktor Martin Kušej um eine zweite Amtszeit zu bringen
Die Direktion des Burgtheaters war ab der Spielzeit 2024/25 für fünf Jahre ausgeschrieben. Laut Auskunft des zuständigen Kulturstaatssekretariats haben sich insgesamt 15 Personen aus dem In- und Ausland beworben. Ende November lud die dem grünen Vizekanzler Werner Kogler unterstehende Staatssekretärin Andrea Mayer eine ausgewählte Runde an Personen zu ausführlichen Hearings. Um wen es sich dabei handelte, ist nicht bekannt. Man darf aber davon ausgehen, dass mit Martin Kušej wenigstens gesprochen wurde.
Der Kärntner Regisseur hat die künstlerische Leitung des Burgtheaters seit September 2019 inne. Er wurde im Sommer 2017 vom damaligen SPÖ-Kulturminister Thomas Drozda bestellt, also zwei Jahre vor seinem Amtsantritt. Das galt damals als knapp. Drozdas Nachnachnachnachfolgerin Andrea Mayer ist nun noch etwas später dran. Vor Weihnachten 2022 will sie verkünden, mit wem es ab 2024 weitergeht.
Ein Grund mehr, dass sie sich für Martin Kušej entscheiden sollte, obwohl der Amtsinhaber dem Vernehmen nach weder bei ihr sonderlich beliebt ist noch bei seiner Belegschaft und dem Publikum (die Auslastung betrug im Oktober 60 Prozent). Kušej propagierte eine Internationalisierung des Spielplans: ein grundsätzlich richtiges Konzept, das er aber bisher nicht überzeugend zu vermitteln vermochte.
Das Burgtheater ist jedenfalls aktuell die einzige große Bühne des Landes, auf der sich zumindest ein Bemühen um Diversität erkennen lässt. In den Augen von Nostalgikern beschädigt das den Glanz der Marke „Burgschauspieler“. Würde es den Ensemblemitgliedern gelingen, zusammenzuwachsen und einander zu Höchstleistungen zu pushen, wäre von diesem vermeintlichen Makel bald keine Rede mehr. Als der damals neue Direktor Claus Peymann 1986 aus Bochum Leute wie Gert Voss und Kirsten Dene an die Burg brachte, waren die auch verhasst, bis das Publikum feststellte, dass sie eigentlich ziemlich gut waren.
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