In meinem 2016 erschienenen „Buch der Schurken“ versammelte ich 100 der genialsten Bösewichte der Weltliteratur in einem Minilexikon. Einige blieben dabei auf der Strecke. Schändlicherweise. Hier begleiche ich nach und nach die schurkische Schuld.
Blut ist dicker als Wasser, der Spruch hat schon sowas Böses. An der Oberfläche geht es schlicht um familiären Zusammenhalt, aber darunter lauern klaffende Wunden und blutrünstige Übeltaten. „Thicker Than Water“ hieß ursprünglich das erste E-Book der nigerianische Autorin Oyinkan Braithwaite. Später, in den USA physisch zwischen Buchdeckel gepresst und mit mehreren Krimipreisen ausgezeichnet, blieb dem Debütroman ein deutlich weniger subtiler Titel: „Meine Schwester, die Serienmörderin“.
Die „Columbo“-Methode, früh zu verraten, wer’s war, findet hier ihren unüberbietbaren Höhepunkt. Etwaige Ahnungen, die Dinge könnten nicht so sein, wie sie scheinen, werden noch vor dem Aufschlagen des Buches aus dem Weg geräumt – ähnlich wie sämtliche Boyfriends von Ayoola. Nach dem Mord am dritten, Femi, beginnt die Erzählung. Wieder mit dem Messer sei es passiert, gesteht Ayoola ihrer älteren Schwester Korede (die uns in Ich-Form am Geschehen teilhaben lässt), und wieder – natürlich – aus Notwehr. In schwesterlicher Kollaboration schaffen die beiden also die Leiche weg und halten in den sozialen Medien das Gerücht aufrecht, Femi sei verschwunden. Korede, von Beruf Krankenschwester in Lagos, macht sich zum dritten Mal an die penible Tatortreinigung und wischt literweise Blut auf. Dass Ayoola – ihr Name bedeutet auf Yoruba „das Glück des Reichtums“ – umgehend zur unbeschwerten Party-Normalität übergeht, bereitet Korede Kopfzerbrechen, aber nicht so viel wie die beginnende Romanze zwischen ihrer Schwester und dem feschen Arzt Tade. Erstens hätte sie sich den selber gerne geangelt, zweitens fürchtet sie naturgemäß um sein Leben.
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