Einsame Menschen – Volkstheater Wien – Kay Voges überrascht als Co-Regisseur des Stücks von Gerhart Hauptmann
Wien, 30. September 2021. Auweia, hat niemand Karten für die ersten drei Reihen gekauft? Ganz vorne in der Mitte sitzt ein einsamer Mensch: die Souffleuse.
Zwar lässt die Auslastung bei dieser Volkstheater-Premiere zu wünschen übrig, wie gerade in allen großen Häusern Wiens. Vor allem aber verschlüge wohl einem Cercle-Publikum der dichte Trockeneisnebel, mit dem der Bühnenboden geflutet wird, minutenlang Blick und Atem. Aus der Wolke in der Bühnenmitte ragt zu Beginn starr Anna Rieser als Käthe Vockerat mit Neugeborenem auf dem Arm, die Schwiegermutter (Anke Zillich) schickt entzückte Worte von der Seite herein, es klingt steif und verlogen – glücklich ist hier niemand.
Alarm am Müggelsee
"Einsame Menschen" aus dem Jahr 1891 war Gerhart Hauptmanns drittes Stück, er schrieb es mit 27 Jahren. Johannes Vockerat arbeitet, umgeben von seiner frommen Kleinbürgerfamilie, am Müggelsee an einem philosophischen Manuskript, mit dem seine pragmatische Ehefrau und seine frommen Eltern nichts anfangen können. Da kommt Anna, eine Bekannte seines Jugendfreundes Braun, und verdreht Johannes den Kopf, wähnt er sie doch als Einzige empfänglich für seine akademischen Ergüsse. Fortan drehen sich die Dialoge weitgehend um die hochnotpeinliche Frage: Darf die – rein geistige – Gespielin bleiben oder muss sie gehen?
Ästhetisch, so viel erkennt man rasch, ist das keine für Volkstheater-Direktor Kay Vogestypische Arbeit. Der geriet auch nur wegen Corona-bedingter Verschiebungen in die Proben des jungen Regisseurs Jan Friedrich – und folglich auf den Besetzungszettel. Kein Video also, kein Voges’scher Signature-Loop, nur ein bisschen Blitzlicht und eben Nebel.
Bühnen- und Kostümbild sind schwarz-weiß, Gitte Reppins grellgelbes Kleid bildet die einzige Ausnahme. Klar, sie bringt ja als Anna auch die pulsierende Außenwelt herein. Schlichte Symbolik dieser Art bietet der Abend immer wieder, wenn, besonders am Anfang, mit manieristischer Spielweise experimentiert wird: Claudio Gatzke verschluckt sich fast vor Eifer, als Braun ein Wort nicht einfällt. Gitte Reppin stößt keck einen Stuhl um – because she can –, die eingeschüchterte Nebenbuhlerin macht es ihr prompt nach, aber bei ihr wirkt es geziert, dieser Akt der Freiheit macht Käthe keinen Spaß. (Später übertreibt sie es mit dem Selbstbewusstsein, als sie sich im Gespräch mit dem völlig verdatterten Braun die Bluse aufknöpft.)