Der Autor und Regisseur Alexander Zeldin prägt das britische Theater der Gegenwart. Jetzt kommt er zu den Festwochen
Die Wände schimmeln, eine Tür führt zum Klo, eine in den Raucherhof. Wer diese Spielstätte des Pariser Odéon-Theaters nicht kennt, durchschaut nicht, wo das Bühnenbild endet und der Raum beginnt. Noch bevor Hazel, Köchin und Leiterin eines Gemeindezentrums irgendwo in England, hinten in der Küche auftaucht, macht sich so ein leicht grausiger Kantinengeruch breit. Gesellschaftliche Außenseiter aller Altersgruppen und Hautfarben trudeln ein, zur Ausspeisung und zu einer Chorprobe. Die typische tragische Fallhöhe eines Königs haben diese Figuren nicht, dennoch erleben sie große Dramen.
Während der Szenen von „Faith, Hope and Charity“ bleibt das Saallicht eingeschaltet, das Publikum möglichst dicht am Geschehen. „Sie sollen vergessen, dass es Theater ist, so echt soll es sein“, erklärt der Brite Alexander Zeldin, Autor und Regisseur des Abends, der den Abschluss seiner Trilogie „The Inequalities“ („Die Ungleichheiten“) bildet. Er wird, ebenso wie der zweite Teil, „LOVE“, bei den Wiener Festwochen zu sehen sein. Nach Auseinandersetzungen mit Leninismus und moderner Prostitution krönen Zeldins Arbeiten die soziopolitische Schiene der heurigen Ausgabe. Ohne Corona hätte Christophe Slagmuylder die ganze Trilogie gezeigt.
Alexander Zeldins Stimme ist weich, sein Blick durchdringend. Während der 36-Jährige seinen Werdegang schildert, krümmt er die Finger einer Hand im ständigen Versuch, etwas zu greifen, zu begreifen. Seit seiner Jugend reist er um die Welt und sucht nach Orten, „wo Theater eine Notwendigkeit ist“ und nicht bourgeoiser Zeitvertreib.
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