Schaurig schön: Die Audiotour „Black Box“ führt durch das frisch renovierte, aber immer noch menschenleere Volkstheater
„Im schlimmsten Fall spielen wir einen Monat ,Black Box‘“, sagte Kay Voges im Oktober auf die Frage, was tun, falls der neue Direktor das ein Jahr lang renovierte Wiener Volkstheater lockdownbedingt nicht am 8. Jänner eröffnen kann. Jetzt spielt Kay Voges einen Monat lang jedes Wochenende „Black Box“, jenes „Phantomtheater für 1 Person“, das Stefan Kaegi vom Kollektiv Rimini Protokoll im ersten Lockdown entwickelte und nun fürs Volkstheater adaptierte.
An der neu (und platzsparend) unter der Publikumstribüne eingerichteten Garderobe werden die Gäste mit Audioguides ausgestattet und im Abstand von fünf Minuten einzeln losgeschickt. Eine sanfte Navi-Stimme und farbige Markierungen an den Türen weisen den Weg über alle Stockwerke, in fast alle Räume des Hauses. Vereinfacht könnte man „Black Box“ als Einzelführung durch ein als Museum umgewidmetes Theater beschreiben, aber es ist viel mehr. Auf dem Weg durchs Volkstheater schreiben sich die Wandernden, zeitlich und räumlich getrennt und doch gemeinsam, ihr eigenes kleines Theaterstück.
Das aber erst mit der Zeit: Erst hört man dort, wo das Publikum sonst nicht hinkommt, in Sitzungszimmer, Kostümabteilung, Maske, einschlägige Gespräche zwischen Fachleuten von außen und solchen, die hier arbeiten. Die Kostümchefin erklärt einem Modemacher ihre Arbeit, der pragmatische Techniker hat keine Zeit für die tiefschürfenden Gedanken einer Philosophin zum Thema Licht: Er muss die Scheinwerfer einrichten.
Sogar zur Klimaanlage gibt es vom technischen Leiter Infos. In der Kammer, in der sie untergebracht ist, riecht es seltsam, darf man hier überhaupt sein? Verstohlen sieht man sich nach dem Betreten-verboten-Schild um. Von Beginn an hat man das prickelnde Gefühl, verfolgt zu werden. Kaum jemand wird sich auf der Tour nicht mehrmals umdrehen, so echt wirken die Schritte aus den Kopfhörern.
Nach einer äußerst knapp bemessenen Klopause wird im zweiten Teil der rund eineinhalb Stunden das zentrale Element des Theaters umkreist und sogar betreten: die Bühne. So wird der Gast erst selbst zum Star und schließlich zum Fan der anderen. „Ein toller Auftritt! Bravo!“, steht auf einem Zettel, den ich in der Roten Bar vorfinde. Was ich noch nicht weiß: Jemand beobachtet mich, während ich ihn lese.
Dass „Black Box“ informativ würde, war zu erwarten. Dass die Tour auch noch poetisch und schaurig schön ist, macht sie zum Highlight des Theaterjahres, bevor dieses überhaupt beginnen durfte.
Die Termine bis 14. März (Sa ab 13.00, So ab 11.00) sind derzeit ausverkauft. Infos: volkstheater.at