Der neue Roman von Martin Mosebach liebt und neckt seine Charaktere
Büchner-Preisträger Martin Mosebach schaut auf Fotos oft drein wie der Opa, kurz bevor er dem Enkel die Nase abzwickt. Das passt zu dem Schalk, mit dem er auch für seine Figuren immer etwas im Schilde zu führen scheint: in seinem neuen Roman „Krass“ für den titelgebenden Kaufmann und selbsternannten Gönner, dessen kurzzeitigen Sekretär Dr. Jüngel und die lebensfrohe Lidewine Schoonemaker. Der Autor liebt alle drei sichtlich sehr, lässt sie an seiner geschliffenen Ausdrucksweise teilhaben und führt sie großzügig bis Neapel, Frankreich und Kairo, aber er weidet sich auch gerne an ihren Schwachstellen.
Bei Dr. Jüngel etwa, der eigentlichen Identifikationsfigur, sind dies sein gar ernster Blick aufs Leben und seine übermäßige Unterwürfigkeit. Zu Beginn des Romans ist Jüngel für die Abwicklung einer Reise zuständig, die Krass mit seiner Entourage unternimmt. Lidewine wird als eine Art Eskortdame hinzugeheuert, verstößt aber schon nach wenigen Tagen gegen die eigentümliche Vertragsklausel, zwar mit Herrn Krass keine sexuelle Beziehung einzugehen, aber auch mit niemand anderem. Als nächstes erleben wir Jüngel Monate später, wie er fast den Verstand verliert.
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