Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger forderte im ersten Lockdown eine Perspektive für die Kultur. Jetzt ist er deutlich entspannter
Auch ein Theaterdirektor muss manchmal Abstriche machen. Eigenhändig nimmt Herbert Föttinger einen PCR-Abstrich bei seinem Interviewer, damit das Falter-Gespräch im Direktionsbüro maskenfrei ablaufen kann. „Ich versuch’s zart zu machen“, sagt Föttinger, und in der Tat, der Stab dringt nicht tief in den Rachen vor. Das sei auch nicht nötig, weiß der Chef, dessen Belegschaft seit einem halben Jahr regelmäßig auf Corona getestet wird. „Übrigens: Das zweite Stricherl beim positiven Test kommt gleich schnell wie das erste.“ Somit steht das negative Ergebnis bereits nach wenigen Minuten fest.
Seit 2006 leitet der Schauspieler und Regisseur das traditionsreiche Theater in der Josefstadt. Im Zuge des Lockdown im Frühjahr 2020 erklärte sich Föttinger zum Sprachrohr der Kulturszene und wütete über die Politik der Bundesregierung. Nach dem Wechsel im Kulturstaatssekretariat von Ulrike Lunacek zu Andrea Mayer verbesserte sich die Stimmung. Obwohl im Zuge der zweiten Corona-Welle die Theater seit mehr als drei Monaten geschlossen haben, überlässt Föttinger das Wüten nun anderen. Er übt sich in Optimismus und probt unermüdlich weiter.
Falter: Sie sind ja ein richtiger Corona-Experte, Herr Föttinger!
Herbert Föttinger: Auf diese Expertise hätte ich liebend gerne verzichtet, aber wir alle sind gefangen in dieser Pandemie. In unserem Haus testen allerdings die Profis, Montag und Donnerstag. Dreizehn Infektionen konnten wir rechtzeitig entdecken, es ist nie eine Infektionskette entstanden.
Mitte Februar wird entschieden, ob die Kultur öffnen darf. Haben Sie einen März-Spielplan in der Tasche?
Föttinger: In diesen Zeiten hat man gar nichts fix in der Tasche. Die zweite Welle ist ja ein wahrer Virentsunami, dagegen war die erste Welle ein Haucherl. Im Juni vorigen Jahres hat das Corona-Virus fast keine Rolle mehr gespielt und jetzt spielt es als Mutant gleich mehrere Rollen gleichzeitig.
Der Lockdown war auch härter. Sie durften zum Beispiel nicht proben.
Föttinger: Der erste war nicht härter, die Menschen waren einsichtiger und disziplinierter, vielleicht auch ängstlicher. Niemand hat genau gewusst, was diese neue Bedrohung wirklich bedeutet. Der Bundeskanzler hat gesagt, Masken seien sinnlos und dann hat er vom Gegenteil geredet. Ich werfe ihm vieles vor, aber das nicht. Wir alle sind Lehrlinge der Pandemie. Die Bundesregierung hat dieses Unglück nicht erfunden. Wir können nur darüber diskutieren, wie gut oder wie schlecht sie dagegen kämpft.
Im Frühjahr klangen Sie weniger versöhnlich.
Föttinger: Es hat mich aufgebracht, dass die Kultur am Ende der Liste stand.
Auch dieses Jahr gab es schon Grund zum Zorn: den Plan des sogenannten „Freitestens“.
Föttinger: Der Begriff „Freitesten“ geht mir auf die Nerven. Die Getesteten sind dann sauber und die anderen unrein, oder was? Solche Selektionen sind in einer Demokratie nicht angebracht.
Jetzt sind „Eintrittstests“ geplant. Wären Sie denn bereit, den Besuch Ihres Hauses an die Vorlage von Corona-Tests zu knüpfen?
Föttinger: Es wehrt sich alles in mir, vor der Eingangstüre zu stehen und zu sagen: Du darfst rein und du nicht. Ich bin doch froh über jeden, der ins Theater will. Ich werde die Leute bitten, dass sie mit einem Test ins Theater kommen. Wenn sie das nicht schaffen, finden wir irgendwo eine Ecke, wo man ihn machen kann.
Sie sind zuversichtlich, dass in dieser Spielzeit noch Veranstaltungen in Österreich möglich sein werden?
Föttinger: Ich schwanke zwischen Bangen und Zuversicht. Aber so schnell wird das nicht gehen. Um es mit den Worten von Herrn Kurz zu sagen, werden wir vermutlich erst „nach Ostern die Auferstehung feiern“ und zwar die zweite. Die Frage wird dann sein: Wieviel Sitzplätze dürfen wir belegen? Jeden zweiten? Jeden dritten?
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