Claus Peymann ist wieder da. Der ehemalige Burgtheater-Direktor inszeniert Bernhard in der Josefstadt und teilt kräftig in alle Richtungen aus
„Lauter Nazis statt Nudeln“, heißt es in Thomas Bernhards Dramolett „Der deutsche Mittagstisch“: „Nazisuppe, Nazisuppe, Nazisuppe“. Der vielgelobte und gehasste 1989 verstorbene Schriftsteller hatte zeitlebens und posthum vor allem einen Förderer: Claus Peymann, Burgtheater-Direktor von 1986 bis 1999. Peymanns Direktion war von Skandalen geprägt, seit seinem Abgang ans Berliner Ensemble scheint in Wien aber schwer zu vermissen. Immer wieder ließen seine Nachfolger ihn als Regisseur am Burgtheater inszenieren, unter dessen neuem Chef Martin Kušej ist das nicht sehr wahrscheinlich.
Dafür hat ein anderer zugegriffen: Herbert Föttinger, Direktor des Theaters in der Josefstadt, engagierte Peymann für den „deutschen Mittagstisch“. Unter dem gleichen Namen wie das Dramolett ist eine ganze Reihe von Kurzstücken versammelt, eines davon wurde zuvor noch nie in Österreich aufgeführt. Im Juni hätten die Stücke Premiere haben sollen, nach Lockdown-bedingten Verschiebungen eröffnen sie nun die neue Saison in der Josefstadt.
Während seiner Zeit als Burgtheater-Direktor war Claus Peymann der Falter stets suspekt. Jetzt, auf neuem Terrain, gab er uns ein offenherziges Interview – und sucht immer noch nach Nazis in der Suppe.
Falter: Herr Peymann, soll ich die Maske beim Interview lieber anlassen?
Claus Peymann: Wie Sie wollen. Ich bin 83, mir ist es egal, woran ich sterbe — nur für die Proben wär’s blöd!
Die Kollegen beim Falter waren recht überrascht über Ihre Bereitschaft, uns ein Interview zu geben.
Peymann: Ihr Blatt war immer gegen mich. Es hat mir damals gefallen, dass das ein linkes Blatt war. Aber die haben vom ersten Tag an gegen mich geschrieben. Zusammen mit der Kronen Zeitung und der Presse, aber von der anderen Ecke: „Wir sind jung, wir frisch, was soll uns dieser Peymann da?“ Kralicek war da ein Hauptschreihals. Aber es ist mir auch egal, ich bin nicht auf Zustimmung aus. Und außerdem ist das alles dreißig Jahre her … Jetzt habe ich Karin Bergmann, mit der ich ja sehr lange zusammengearbeitet habe und die damals bei uns am Burgtheater als Pressesprecherin engagiert war, gefragt, ob ich das Interview mit Ihnen zusagen soll. Sie hat gesagt: „Du musst das unbedingt tun, die Jungen kennen dich nicht mehr.“ Deshalb möchte ich auch einen guten Eindruck machen (lacht).
Eigentlich hätten Sie schon im Frühjahr mit den Proben zu „Der deutsche Mittagstisch“ von Thomas Bernhard beginnen sollen. Stattdessen kam der Corona-Lockdown. Wie haben Sie ihn erlebt?
Peymann: Da war ich in Berlin-Köpenick in meinem — leider nur gemieteten! — Haus. Ich hatte es leicht, ich war viel draußen in meinem Garten. Aus der Nachkriegszeit kenne ich das ja noch, dass man aus Furcht vor Krisenzeiten Vorräte anlegt, deshalb habe ich einen kleinen Kartoffelacker. Direkt hinterm Garten ist ein Wald, da lebt eine Wildsau mit zehn Jungen. Die sind nachts immer durch ein Loch im Zaun gekrochen und haben die Kartoffeln ausgebuddelt.
Ihr Kollege Frank Castorf, Ex-Intendant der Berliner Volksbühne, hat die Corona-Maßnahmen belächelt und gesagt, er wolle sich nicht von Kanzlerin Merkel vorschreiben lassen, sich die Hände zu waschen.
Peymann: Manchmal trifft er’s. Auf der Bühne trifft der Castorf immer weniger, aber im Interview hat er noch Humor. — Sagen Sie jetzt nicht: „Genau wie Sie!“
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