Wehklagen über den Untergang des Theaters kommen aus verschiedenen Ecken. Einige finden, der von Männern verfasste Klassikerkanon eigne sich nicht mehr für heutige Ensembles. Sie besetzen Hamlet und Co. mit Frauen, was wieder die Puristen empört. Andere sind genervt, dass immer mehr Filme, Romane und aktuelle Diskurse als Vorlage herhalten müssen, und schauen lieber Netflix.
Statt zu jammern, nimmt sich die britische Dramatikerin Lucy Kirkwood, Jahrgang 1983, all dieser Probleme an. Kirkwood, die auch Drehbucherfahrung hat („Skins“), landet in London derzeit einen Hit nach dem anderen. Ihr Thriller „Das Himmelszelt“ wurde Anfang 2020 am National Theatre uraufgeführt. In Corinna Brochers Übersetzung ist er mit der Premiere am Burgtheater nun auch im deutschsprachigen Raum angekommen. Häuser, die sich das große Figurenpersonal leisten können, werden es nutzen, um zu zeigen: Es geht doch, mehr davon! Das postmoderne Drama, das 1759 spielt, aber erkennbar dem Geist einer Feministin im 21. Jahrhundert entspringt, bietet Rollen für 14 Frauen und zwei Männer.
Der Stoff ist ein Original und originell: Während ein englisches Dorf auf das Vorbeiziehen des Halleyschen Kometen wartet, wird die junge Sally für einen Mord zum Tod durch den Strang verurteilt. Als sie sagt, sie sei schwanger und dürfe daher nicht hingerichtet werden, tritt ein Geschworenengericht aus zwölf Frauen an, diese Aussage zu überprüfen. Dabei ist der Gerichtsdiener anwesend, hat aber Redeverbot.
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