Das Burgtheater eröffnet die neue Spielzeit mit drei sehr unterschiedlichen Premieren an drei Spielstätten
Die Eröffnung ist geschafft. Egal, wohin die Ampel jetzt umschaltet, das Burgtheater wird als erstes großes Wiener Schauspielhaus in der neuen Spielzeit drei Premieren rausgehaut haben. Bis auf die flexiblen Sitzpläne mit Lücken, die Beförderung des Saalpersonals zu Corona-Beauftragten und die Nutzung ungekannter Eingänge zu den diversen Spielstätten ist dabei alles wie gewohnt: mal öd, mal super. Einer von drei Versuchen ergab sogar eine richtige Punktlandung.
Der Trailer
Es ist die zweite Spielzeit der Direktion Martin Kušej. Bevor die erste unfreiwillig im März endete, gab es reichlich Gelegenheit, sich mit seiner Ästhetik als Regisseur vertraut zu machen: Sieben seiner Inszenierungen wurden gezeigt, der Großteil Übernahmen aus seiner vorigen Wirkungsstätte, dem Münchner Residenztheater. Große Klassiker der Dramenliteratur übersetzt Kušej in große Bilder mit verschiedenen Schwarztönen. Es herrscht staatstragende Grabesstimmung, gespickt mit aggressiven Ausbrüchen, wo immer der Text es zulässt, und irgendjemand hat früher oder später einen nackten Ober- und manchmal auch Unterkörper.
So nun auch bei „Das Leben ein Traum“. Der Titel des 1634/35 von Pedro Calderón de la Barca verfassten Versdramas ist wesentlich bekannter als der Text selbst, der selten aufgeführt wird, weil er als gar blumig und schwer übersetzbar gilt. Die Version des Schriftstellers Soeren Voima ist poetisch und mundgerecht. Dennoch erlaubt Kušej seinen Schauspielern nicht immer, sie sich anzueignen. Die Monologe sind abgehackt und von Pausen durchsetzt, bisweilen klingen sie wie von Computerstimmen abgesondert.
In der geschulten Stimme des Hauptdarsteller Franz Pätzold geht das auf und unterstreicht das Entmenschlichte seiner Figur, des Prinzen Sigismund, der vom königlichen Vater als Kind weggesperrt wurde. Der weibliche Gegenpart Rosaura wird von Julia Riedler gespielt. Kušej misst ihr besonderes Gewicht bei und lässt sie auch einen aus dem Stück „Calderón“ von Pier Paolo Pasolini entlehnten Schlussmonolog sprechen. Dehnt sie den Text in die Länge, seufzt man gequält in seinen Mund-Nasen-Schutz.
Thematische Bezüge zu aktuellen Themen wie Isolation und Machtgier lassen sich nur mit viel Fantasie herstellen. Die Inszenierung ist darauf beschränkt, in ihrer triefenden Schwärze gut und sexy auszusehen. Das immerhin gelingt ihr: Das Bühnenbild von Annette Murschetz dreht sich zwischen schiefen Gebäudefragmenten und einer Wand aus fallendem Bauschutt hin und her. Wenn darauf Videobilder finsterer Waldwege (Sophie Lux) projiziert werden, kommt schaurig-schöne Stimmung auf. Anfangs wirkt der Abend mit seinen kurzen, durch Schwarzblenden und aufgeregte Musik von Bert Wrede unterteilten Szenen wie der Trailer zu einem Hollywood-Film-noir, den man sich unbedingt demnächst anschauen sollte.
Das Wahre
Düster geht es auch im Akademietheater zu, von Eskapismus kann hier allerdings keine Rede sein. Der höchst produktive, vielgepriesene oberösterreichische Autor Thomas Köck hat den antiken Antigone-Mythos aufgegriffen und mit einem simplen, aber genialen Kniff brandaktuell gemacht. Bei Sophokles möchte Antigone ihrem Bruder Polyneikes gegen den Willen des Tyrannen von Theben, Kreon, ein angemessenes Begräbnis ermöglichen. In Köcks „Antigone. Ein Requiem“ sind es die vielen an Thebens Küste angeschwemmten Leichen, die Antigone begraben will. Eigentlich sind in Theben alle dafür, nur Kreon wird nicht müde zu betonen, dass das ja „nicht unsere Toten“ seien.
Dass diese österreichische Erstaufführung an demselben Wochenende stattfand, an dem der Kanzler ausführte, warum er justament keine Kinder aus dem griechischen Lager Moria aufnehmen wolle, ist ein tragischer Zufall, durch den diese Inszenierung endgültig zum Hit wird.
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