In meinem 2016 erschienenen „Buch der Schurken“ versammelte ich 100 der genialsten Bösewichte der Weltliteratur in einem Minilexikon. Einige blieben dabei auf der Strecke. Schändlicherweise. Hier begleiche ich nach und nach die schurkische Schuld.
Es muss zugegangen sein in der Sowjetunion zu Zeiten des ersten Fünfjahresplans: Alle taten so, als nähmen sie das neue System ernst, und versuchten mit allen Mitteln, es zu unterlaufen. Wo es verboten ist, Geld zu haben, dort ist, wer Reichtum anstrebt, ein Schurke. Aber Ostap Suleyman Berta Maria Bender-Bey (wie er, ohne mit der Wimper zu zucken, zu heißen behauptet) kann nicht anders: Unter einer Million geht es für ihn nicht, und das Auswandern in ein vage imaginiertes Rio ist sein großes Lebensziel, an dem er – wie Oscar Wilde schon weise voraussagte – laufend scheitern muss, um glücklich zu sein.
„Der große Kombinator“ ist ein Schlitzohr aus Prinzip, wie es im Buche steht. In zwei Büchern genau genommen: Die Satiriker Ilja Ilf und Jewgeni Petrof ließen ihn zuerst „Zwölf Stühle“ jagen, weil in einen davon Brillanten eingenäht waren. Der Roman endete damit, dass ihm sein „partner in crime“ die Kehle durchschnitt. Doch wurde die Geschichte – trotz oder gerade wegen schrillster Regimekritik – ein derart großer Erfolg, dass Ilf/Petrow ihre Cashcow nicht verbluten lassen konnten. Ohne viel Erklärung, wie es zum überraschenden Überleben kam, ließen sie Ostap Bender in „Das goldene Kalb“ wieder sein Unwesen treiben. Diesmal versammelte er ein Team ärmlicher Gestalten um sich mit dem Ziel, einen illegalen Millionär ausfindig – und arm – zu machen.
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