Florian Krumpöck hat an den Kulturöffnungen nach dem Corona-Lockdown mitgewirkt. Der Pianist und Intendant des Kultursommers Semmering schildert, wie es dazu kam, und gewährt Einblicke in das reichhaltige aktuelle Programm
Ganz so wie immer ist es natürlich nicht beim Kultursommer Semmering, den der Pianist Florian Krumpöck seit einigen Jahren als Intendant leitet. Einige Hotels in der Umgebung haben die Corona-Krise nicht überlebt, bei den Konzerten und Lesungen gelten behördliche Schutzmaßnahmen. Aber Krumpöck hat es verhältnismäßig gut: Er war Teil des Inner Circles, der im Mai mit Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer und Vertretern des Gesundheitsministeriums ausbaldowert hat, wie doch noch (s)ein Kultursommer stattfinden kann.
Falter: Herr Krumpöck, was sind Ihre Highlights im diesjährigen Programm des Kultursommers?
Florian Krumpöck: Für mich persönlich sind das absolute Highlight immer die Autoren, die tatsächlich an diesem Ort waren. Wir haben einen Stefan-Zweig-Schwerpunkt, wo große Schauspielerinnen und Schauspieler Novellen dieses Autors lesen. „Brennendes Geheimnis“, die Novelle, die Fritz Karl lesen wird, spielt sogar im Südbahnhotel. Die Atmosphäre hier ist so, dass man denkt, Stefan Zweig könnte gleich um die Ecke biegen. In Wien hängt im dritten Bezirk eine Plakette, auf der steht, dass Beethoven in diesem Gebäude die Neunte Symphonie geschrieben hat. Das ist zwar schön, aber drinnen ist ein Bierlokal und man sieht nichts mehr davon.
Apropos Beethoven. Der hätte heuer seinen 250. Geburtstag.
Krumpöck: Der Beethoven-Zyklus ist natürlich ein ganz großes Thema. Den spiele ich selbst, mittlerweile auch an anderen Orten, aber geplant habe ich ihn für den Kultursommer. Die Idee ist, die 32 Klaviersonaten nicht an acht, sondern an 13 Abenden zu spielen und einzelnen thematischen Schwerpunkten aus Beethovens Leben zuzuordnen. Dazu passend werden dann Briefe und Tagebuchnotizen gelesen. Das ist eine große Herzensangelegenheit von mir. Außerdem spiele ich am Semmering noch mit Angelika Kirchschlager und Alfred Dorfer unser Programm.
Schauspielerinnen und Schauspieler mögen das Format Lesung besonders gerne. Elisabeth Orth hat dem Falter kürzlich verraten, dass sie in ihrem Alter eigentlich gar nicht mehr spielen, nur noch lesen will. Wie teilen Sie die Texte den Lesenden zu?
Krumpöck: Ich überlege mir das sehr gut in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Schauspielerin. Gerade Frau Orth macht gerne selbst Vorschläge. Sie ist unglaublich. Als sie vor zwei Jahren zum ersten Mal bei uns gelesen hat, gab es nach drei Stunden eine Pause. Nach fünf Stunden sind die ersten Leute gegangen. Nach sechs Stunden war sie fertig. In dieser Zeit hat sie sich nicht einmal verlesen, keinen einzigen Schluck Wasser getrunken und gar nicht mitgekriegt, wie die Zeit vergeht. Es gab Standing Ovations der Verbliebenen.
Für ihre diesjährige Zweig-Lesung gibt es also eine eigene Fassung?
Krumpöck: Die sie selber erstellt hat! Wir haben zwar Dramaturgen, die anbieten, Fassungen zu machen. Aber zum Beispiel auch Fritz Karl hat sehr viel Mühe ins „Brennende Geheimnis“ investiert, vieles wieder aufgemacht und anderes gekürzt. Normalerweise haben unsere Lesungen natürlich die üblichen Konzertdauern von zweimal circa 40 Minuten mit einer Pause dazwischen.
Wie ist das Publikum in diesem Corona-Jahr bisher so drauf?
Krumpöck: Es ist unglaublich hungrig auf Kultur und hat überhaupt keine Angst, das kann man pauschal sagen. Das Publikum zu bitten, Abstand zu halten und abseits ihres Sitzplatzes den Mund-Nasen-Schutz zu tragen, fällt wirklich schwer. Ich glaube, die Leute haben das alles satt und wollen wieder leben. Dabei haben wir jetzt nicht unbedingt ein ganz junges Publikum.
Macht Sie das nervös?
Krumpöck: Über Nervosität versuche ich nicht nachzudenken. Wir tun unser Bestes, in enger Zusammenarbeit mit den Behörden. Da werden Zentimeter-Abstände abgemessen, es gibt ein Belüftungs- und ein Desinfektionskonzept. Außerdem betreiben wir lückenloses Contact-Tracing, alle müssen ihre Kontaktdaten angeben, Karten dürfen nicht getauscht werden.
In Reichenau sind zwei Hotels wegen Corona in Konkurs gegangen: der Marienhof und der Knappenhof. Betrifft Sie das?
Krumpöck: Ich habe dadurch nicht weniger Publikum, aber es betrifft mich von der menschlichen Seite her, denn ich finde, dass man die gesamte Sommerfrische-Region in ihrer Gesamtheit betrachten muss. Es wäre schön, wenn wir zwischen Reichenau und Semmering näher zusammenrücken könnten. Auch Tourismus und Kultur gehören zusammen.
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